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Cubetto: Holzspielzeug als Programmier-Einstieg?

Das Programmieren-Lernen ist bei uns schon vielfach Thema gewesen, richtete sich aber immer an die größeren Kinder unter uns. Um auch die ganz kleinen anzusprechen, haben sich die Erfinder*innen von Primotoys mit „Cubetto“ eine altersgerechtere Präsentation ausgedacht: ein freundlich lächelnder Holzklotz, dessen Bewegungen sich über eine haptische Programmiertafel mit bunten Plastikplättchen steuern lassen. Beworben wird das als „Kindern programmieren beibringen, bevor sie lesen können“ und richtet sich besonders an die Altersgruppe zwischen 3 und 6 Jahren. Wir haben mit Cubetto ein paar Runden gedreht.

cubetto_kit
Design-Leistung: wir wussten nicht, dass ein Holzklotz so zufrieden und happy sein kann

Cubetto besteht aus zwei elektronischen Komponenten: dem „Brett“ zum Programmieren und einem Holzklotz mit zwei Rädern und knuffig lächelndem Gesicht, Cubetto selbst. Die Aufmachung aus stabilem Holz mit abgerundeten Ecken dürfte selbst Anhänger*innen anthroposophischer Pädagogik gefallen. Beide Teile haben je ein Batteriefach und einen einfachen An-Aus-Schalter. Werden beide Geräte eingeschaltet, wird der erfolgreiche Aufbau der Funkverbindung mit einem quirligen Gepiepse quittiert. Es kann losgehen!

Um den Roboter zur Bewegung zu bringen, platzieren wir bunte Plättchen (das Handbuch nennt sie Blöcke) in den Ausbuchtungen auf dem Brett: grün für eine Vorwärts-Bewegung, rot für eine Drehung um 90° nach rechts und äquivalent gelb nach links. Diese werden dann nacheinander abgearbeitet, sobald auf den Knopf am Ende der Anweisungsfolge gedrückt wird. Die LEDs unterhalb der Anweisungen zeigen an, welche von ihnen gerade ausgeführt wird. Intern erkennt Cubetto die verschiedenen Blöcke übrigens an einer im Plättchen eingebaute Anordnung aus drei Magneten.

Es gibt außerdem den besonderen blauen Block, welcher einen Unter-Aufruf der unten auf dem Brett speziell eingerahmten Funktionslinie zur Folge hat. Auf dem hier angezeigten Bild würde Cubetto sich also zuerst vorwärts bewegen, dann nach rechts drehen und sodann zur Funktionslinie springen, um nochmals zwei Schritte vorwärts zu gehen. Der eigentliche Einsatzzweck ist natürlich, mithilfe mehrerer blauen Blöcke häufiger benutzte Bewegungen mehrfach verwenden zu können – eine gute Idee, so das Prinzip von Funktionsaufrufen bereits auf simpelste Weise einzuführen! Sogar eine Endlosschleife lässt sich basteln, wenn wir am Ende der Funktionslinie wieder einen blauen Block platzieren.

Das Prinzip der Programmierung von solchen einfachen Bewegungen stammt aus der in der Programmier-Pädagogik häufig eingesetzten Programmiersprache Logo, in der auf ähnliche Weise eine Schildkröte über den Bildschirm gesteuert wird. Die Entwickler*innen von Cubetto haben dieses Prinzip sehr gut in eine haptische Welt übersetzt, die ohne Bildschirm und Tastatur oder die Fähigkeit lesen und schreiben zu können auskommt. Dabei verloren gegangen ist allerdings die Möglichkeit von Logo, auf dem zurückgelegten Weg Linien zu zeichnen und somit ein Ergebnis des Programmablaufs präsentiert zu bekommen.

Um eine andere Form von kleinen Programmieraufgaben geben zu können, haben sie stattdessen eine Spieldecke mit aufgemaltem Quadratmuster beigelegt. Die Vorwärts-Bewegung von Cubetto entspricht hierbei der Bewegung um ein Feld. In der Praxis funktioniert das leider nicht immer ganz so gut; spätestens nach 20-30 Bewegungsschritten steht der kleine Roboter dann doch schräg und unzentriert auf seinem Feld. Wir vermuten, dass dabei besonders die vom Zusammenlegen der Decke deutlich gebildeten Falten eine Rolle spielen, wussten aber nicht ob die Decke ein Bügeln vertragen würde und haben Cubetto einfach gelegentlich von Hand wieder zentriert. Groß hat uns das nicht gestört.

cubetto_field

Zurück zu den Aufgaben: die Felder sind mit Buchstaben, Farben und Symbolen markiert und sollen dazu anregen, sich kleine Geschichten zu den Bewegungen auszudenken. Beispielsweise könnte die Aufgabe lauten, dass Cubetto in den Bergen lebt, gerade nach Norden schaut und gerne im Wald Pilze sammeln möchte. Eine mögliche Lösung wäre dann: zwei Felder vorwärts, einmal nach links gedreht, noch einmal vorwärts, um den Wald zu erreichen. Ein beigelegtes „Storybook“ gibt in Bilderbuchform ein paar solcher Aufgaben als Einstieg in Cubetto. Unserem Testexemplar lag es ebenso wie die Anleitung leider nur in englischer Sprache bei. Abhilfe schafft hier die Website von Primotoys, wo PDFs der deutsch übersetzten Versionen zu finden sind. Hier gibt es auch ein paar weitere kreative Ideen rund um Cubetto, allerdings überwiegend nur auf englisch. Da sollte Primotoys noch nachbessern.

Während sämtliche Erwachsene, die unser Testexemplar in die Hände bekamen einige Minuten Spaß daran hatten, damit herumzuspielen, sind natürlich als Haupt-Tester*innen Kinder aus der Alterszielgruppe gefragt. Für uns waren das E. (fast vier Jahre alt) und S. (fast fünf Jahre alt), die Cubetto jeweils gezeigt bekommen haben, aber sich auch selbst mehrere Tage in ihren Spielzimmern selbständig damit befassen durften.

Ob in dem Alter das Programmierenlernen bereits funktioniert? Unsere Beobachtungen machen uns da ein bisschen skeptisch. Zwar haben beide Kinder viel Spaß daran gehabt, mit Cubetto herumzuspielen. Ein besonders koordiniertes Vorgehen hat sich aber zumindest innerhalb weniger Tage (auch nach Erklärungen, wie Cubetto funktioniert) nicht eingestellt. Es blieb meist dabei, verschiedene Blöcke einzulegen und die abschließenden Bewegungen fasziniert zu beobachten.

E. hatte einmal einen sehr kreativen Ansatz: als die Aufgabe lautete, Cubetto ein paar Felder bis zur Burg zu bringen, gab E. nach einiger Zeit mit versuchten Hilfestellungen auf, hob Cubetto hoch und platzierte ihn auf dem Feld mit der Burg (stellt euch dazu bitte ein triumphales Grinsen vor). An dem Problem leidet das Konzept von Cubetto wohl: die Kinder wissen in dem Alter bereits, wie sie mit ihren Händen ein Objekt von A nach B bringen können, und es umständlich über die Programmierung zu machen und die Schritte vorauszuplanen machte zumindest unseren beiden Tester*innen nicht besonders viel Spaß.

Das Design der Blöcke auf der Stofftasche erinnert an die Hexipals aus dem Adventure-Spiel Broken Age

Ein Problem beim Verständnis des Konzepts könnten die äußerlich fast nur anhand ihrer Farben identifizierbarer Blöcke sein, denn von der Form her unterscheiden sie sich bloß um ein paar abgerundete Ecken. Auf die Bitte, einmal ein „Vorwärts“-Plättchen zu holen, brachte E. jedenfalls auch Drehungs-Plättchen, auf denen eine Seite ja ebenfalls einen Pfeil in eine Richtung zeigt. Auch sie korrekt ins Brett einzusetzen gelang oft nicht.

S. hatte nach der Testphase die Funktionsweise der einfachen Bewegungs-Plättchen schon verstanden, die blauen Plättchen bzw. die Funktionslinie waren aber immer zu kompliziert. Es machte augenscheinlich trotzdem mehr Spaß, Cubetto mit zufällig angeordneten Plättchen durch den Raum zu schicken. Nach ein paar Tagen war auch diese Faszination dann verflogen – um eine Grundidee des Programmierens zu vermitteln, hat es bei S. wohl gereicht, aber viel mehr Spaß hat das Herumschicken des Holzklotzes nicht bereitet.

Wir können uns vorstellen, dass ältere Kinder auch die Funktionslinie irgendwann verstehen können. Allerdings sind diese wohl eher am obersten Ende der designierten Alterszielgruppe oder sogar noch darüber. Wir sehen als eine Schwierigkeit von Cubetto, dass seine kindliche Holzoptik schon ab dem frühen Grundschulalter als etwas zu „uncool“ wahrgenommen werden könnte. Und selbst dann dürfte die Faszination nur wenige Tage anhalten; für komplexere Spiele bietet Cubetto einfach nicht genügend Möglichkeiten.

Für ein Spielzeug, das eher für ein paar Tage als langfristig begeistern kann, hat Cubetto einen wahrhaft stolzen Preis: auf der offiziellen Website kostet ein Set 199€, zuzüglich 19€ Versand (in die Schweiz sogar 38€). Wir sehen ihn daher viel weniger als ein Spielzeug fürs heimische Kinderzimmer als vielmehr für Kindergärten oder öffentliche Einrichtungen wie Museen, wo ein Set gleich vielen Kindern auf einmal zugute kommt und ihnen spielerisch die ersten Ideen der Programmierung vermittelt. Ein angeleiteter Cubetto-Projekttag könnte ebenfalls gut funktionieren. Es ist dann nicht schlimm, dass nach Verstehen der Grundprinzipien kein langfristiges Spielen mit Cubetto stattfindet, sondern sorgt vielleicht eher dafür, dass es kein großes Gezanke um den kleinen Roboter gibt. Das Holzspielzeug ist vermutlich stabil genug, um die manchmal harte Behandlung durch Kinder in einer pädagogischen Einrichtung zu überleben.

Abschließend wollen wir noch auf etwas hinweisen, was aus unserer Geek-Sicht erfreulich an Cubetto ist. Anders als die meisten elektronischen Spielzeuge laden die sehr großen, blauen Schrauben aus Plastik sehr deutlich dazu ein: „Mich kannst du auch auseinandernehmen“. Im Inneren von Brett und Cubetto werkelt jeweils ein Arduino, die Kommunikation zwischen den beiden Teilen läuft energiesparsam über Bluetooth. Für die frühe Kickstarter-Version gibt es sogar eine Open Source-Library, um den Roboter anzusteuern. Als FOSS-Fans gefällt uns auf Femgeeks natürlich, dass derartig offene Hard- und Software verwendet wird! Für die Alterszielgruppe ist das natürlich höchstens interessant, um einmal über das Innenleben staunen zu können und von technikaffinen Erwachsenen die einzelnen Komponenten wie Motoren oder Lautsprecher gezeigt zu bekommen.

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Das Innenleben von Cubetto. Die Kabel unten im Bild verbinden den Arduino mit den beiden einzeln angesteuerten Motoren, mit denen sich der Roboter bewegen kann.

Fazit: während Cubetto für die Zielgruppe 3-6 Jahre optisch und haptisch super gestaltet ist, können wohl erst etwas ältere Kinder als unsere Tester*innen tatsächlich alle seine Möglichkeiten ausschöpfen und z.B. mit den Aufgaben oder der Funktionslinie etwas anfangen. Das Versprechen „Kindern programmieren beibringen, bevor sie lesen können“ wird also nur bedingt eingelöst. Da bisherige Programmier-Spielzeuge wie Lego Mindstorms erst deutlich ältere Kinder (ab ca. 12 Jahre) ansprechen, sind wir sehr froh, dass es nun auch etwas für Jüngere gibt. Cubetto bietet einen kurzweiligen ersten Einstieg in die Welt der Programmierung und ist zwar in unseren Augen für eine Privatanschaffung zu teuer, für eine Kindereinrichtung aber sehr gut geeignet.

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