Schon etwas älter ist Babylon 5 – die Serie um die gleichnnamige Raumstation ab dem Jahr 2258. Mit dem Staffeln-umfassenden Handlungsbogen prägte sie die Entwicklung der weiteren Fernsehserien. Außerdem bekam sie recht viel Applaus für Entwicklung der Charaktere und im Besonderen die Behandlung der weiblichen Hauptcharaktere. Tatsächlich sind Susann Ivanova und Delenn spannende Protagonistinnen, aber danach sieht es irgendwie düster aus. Talia Winters wurde mehr über ihre Beziehungen zu anderen definiert, denn als eigene Person. Kaum hatten sie und Ivanova eine Frauenfreundschaft etabliert, die zum Glück auch nichts mit Schönheitstips und Männergetuschel zu tun hatte, war wieder alles vorbei.
Ansonsten gibt es kaum weibliche Charaktere – Na’Toth ist irgendwann unerklärlicherweise verschwunden und alle anderen Nebencharaktere sind bisher Männer (Warren Keffer, Vir Cotto, Marcus Cole, Lennier, Bester, Morden, Garibaldis unbenannter Stellvertreter und Attentäter…). Darüberhinaus sind, von Cotto und Lennier abgesehen, diese Charaktere auch ausschließlich weiße, männliche Menschen. Lediglich die Position des Bordarztes scheint für den „Quotenschwarzen“ reserviert. Auf Dr. Kyle im Pilotfilm folgt Dr. Franklin. Außerdem gibt es, zumindest anfänglich, noch eine Frau mit asiatischem Hintergrund. Im Pilotfilm Laurel Takashima, die dem Studio ironischerweise wohl auch nicht weiblich genug auftrat. Auf Sinclair’s Exfrau Catherine Sakai folgt dann keine mehr. Was aus ihr wurde, ob sie Sinclair geheiratet hat und ihm nach Minbar gefolgt ist oder weiter von Babylon 5 aus arbeitet, ist in der zweiten Staffel jedenfalls nicht aufgeklärt worden.
Diese Frauenfiguren definieren sich, wieder einmal, vor allem über ihre Beziehung zu Männern. Ansonsten setzen Fernsehserien leider viel zu oft darauf, dass die Protagonist_innen Single bleiben. Vermutlich aus der gleichen Logik heraus, aus der das Boybandsängern vorgeschrieben wird, damit sie als Projektionsflächen für die Zuschauer_innen und ihr Bedürfnis nach Beziehung dienen können. Dabei wird dann allerdings fast immer bei den männlichen Charakteren kein großes Ding daraus gemacht – Männer sind halt so und wollen nichts festes. Bei den weiblichen Charakteren ist es dagegen erklärungsbedürftig. Ivanova hat eine Bindungsphobie (als Frau!!einself!) und Alexander ist als Telepathin isoliert (und leidet sichtbar darunter).
Bei Captain Elizabeth Lochley, die in der 5. Staffel die Station leitet, im Vergleich zu den anderen Charakteren aber etwas zu kurz kommt, fiel mir noch etwas anderes auf. Im englischen Wikipedia-Eintrag der Darstellerin Tracy Scoggins heißt es, Lochley wäre in der fünften Staffel der “competent, troubled commander”, also kompetent, aber problembeladen. Im Charaktereintrag klingt das dann schon gemäßigter, dafür wird unglaublich viel auf ihr Äußeres und ihre Beziehungen zu Männern eingegangen. Bei „problembeladen“ musste ich spontan an Garibaldi denken – in seinem Wikipediaeintrag geht es im Überblick dagegen nur in einem Satz um seine Alkoholabhängigkeit und andere Probleme und gar nicht um seine Beziehungen zu Frauen.
Mit vielen guten Ansätzen war Babylon 5 eine super Serie, auch wenn z.B. die damals bestaunten Computergrafiken heute sehr anachronistisch aussehen. Aus feministischer Perspektive hätte man noch einiges besser machen können, aber in späteren Serien ging es sogar wieder bergab!
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Dieser Artikel erschien zunächst in zwei Teilen auf Drop the thought (Teil eins und zwei).
8 Antworten auf „Babylon 5 unter dem feministischen Mikroskop“
ahhh, Spoilerwarnungen! :D Wo ich doch erst in Staffel 3 bin. Ja, es gibt diese Leute noch!
Super Artikel!
(Spoiler ab Staffel … hmm, 2:)
In meinem Herzen lebt Na’Toth immer noch, und ich WERDE weiter daran glauben, dass sie wiederkommt!
Ansonsten, ja, Talia Winters, Riesenfrechheit. Hier fehlt mir übrigens die ganz wichtige Spekulation, dass sie nein? doch? vielleicht? andeutungsweise eine vielleicht doch Mini-Beziehung zu Ivanova hatte, in etwa die einzige Nicht-Hetero-Sache an dem ganzen Ding. Ah, hier. Gut einzubauen, kurz bevor Winters FÜR IMMER VERSCHWINDET. args.
Da mir Ivanova als „bi“ vorgestellt wurde, werde ich auch hieran einfach trotzig weiter glauben.
Sag Bescheid, wenn Du mit der Serie durch bist, dann können wir noch mal über Na’Toth reden…
Der Miniminimini-Andeutung folgte in meinen Augen sowas wie die „Klärung“, dass es wirklich „nur“ eine Freundschaft ist.
Auch die Darstellung Delenns gibt noch einiges an Diskussion her, aber ich musste mich dann doch irgendwann beschränken.
Hallo,
mir ist aufgefallen das Lyta Alaxander hier ganz untergangen ist. Sie hat mit zunehmender Handlung eine immer wichtigere Rolle. Ich will aber jetzt auch nicht spoilern. Gerade ihre Charakterentwicklung finde ich sehr spannend. Was hältst du von ihr Helga?
Viele Grüße
Stefan
@Helga – heh, „mir fehlt“ hieß eigentlich garnicht „Du hättest schreiben müssen!!1!“, sorry … aber wo ich drüber nachdenke, hätte es vermutlich sogar echt einen gerechtfertigten Platz gehabt, als Quoten-Queer-Erwähnung – oder meintest Du bei Delenn auch das? Die kam mir bisher echt unFASSbar hetera vor. Muss mir die Winters-Ivanova-Sache echt nochmal anschauen.
Ja, ich meld mich wirklich gern wieder ;) (obwohl ich grad DS9 einschiebe) – ich freu mich unglaublich über Euren ganzen Blog, hatte bisher für so Klischee-„Geek“-Themen weitgehend nur WCHM*-Umfeld, was mich schon in jahrelange Fehden geworfen und fast zum Verzweifeln gebracht hat. War im siebten Himmel, als ich vor ein paar Jahren Geek Feminism gefunden hab und irgendwann Border House gegründet wurde.
@Stefan: Hast recht mit Lyta Alexander, die fängt bei mir auch grad an, interessant zu werden. Kann aber auch noch nicht viel sagen. Und ich vergeb ihr ungerechterweise nicht, dass sie Winters „ersetzt“.
*white cis het male
@kiturak: Ne, ich meinte eigentlich nur, dass Delenn eine Figur ist, über die man noch seeeehr viel mehr sagen könnte.
@Stefan: Talia Winters und Lyta Alexander sind ja quasi austauschbar und wurden für eine Storyline geschrieben. Im eigentlichen Arc, den ersten vier Staffeln, macht sie selbst … wenig, sondern wird mehr „benutzt“. In der letzten Staffel ist sie dann „frei“ aber irgendwie auch nicht.
[…] ich mich etwa über Babylon 5 beschwert? Das war, bevor ich Star Trek Enterprise angefangen hatte. Eigentlich sollte mich das nicht […]
[…] immer super-spannende Themen auf: Es geht z.B. um die Darstellung von Gender bei Enterprise, bei Babylon 5 oder in den Werken von Stanislaw Lem, den ich früher sehr gern gelesen habe. Große Empfehlung […]
[…] für die Serie entwickelt wurde und zieht sich auch durch den allgemeinen Aufbau. Ähnlich wie bei Babylon 5 gibt es einen Storybogen, der auf fünf Staffeln ausgelegt war, von dem aber zuerst nur 4 Staffeln […]