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Buch-Rezension: Nerds, Geeks und Piraten von Nina Scholz

Die Begriffe „Nerd“ und „Geek“ sind mittlerweile fester Bestandteil unseres Wortschatzes. Meistens assoziieren wir damit verschiedene Spektren der (vor allem) us-amerikanischen Unterhaltungskultur, manchmal auch der Wisssenschaft und Technik. Menschen wie Marc Zuckerberg, Edward Snowden oder Joss Whedon sind weltweit berühmt – und Nerds. Doch woher kommen die Begriffe und wie kam es dazu, dass Nerd und Geek heute so sehr im Mittelpunkt stehen? Antworten gibt das Büchlein „Nerds, Geeks und Piraten – Digital Natives in Kultur und Politik“ von Nina Scholz. Auf gut 100 Seiten zeichnet die Autorin den Siegeszug der Nerds und Geeks nach.

Zunächst geht sie den beiden Begrifflichkeiten auf den Grund und beschreibt den Wandel vom abfälligen, ausgrenzenden und stigmatisierenden Schimpfwort zur positiv besetzten Expertenbeschreibung.  Wo das Wort „Nerd“ genau herkommt ist nicht belegt. Es könnte sich aus dem Ausdruck „knurd“ entwickelt haben,  „drunk“ rückwärts geschrieben. Es bezeichnet einen Trinker und Langweiler.  Ebenso möglich wäre die Figur „Nurdly“ aus einer Studentenzeitung der 1950er Jahre, die einen stereotyp-naiven Erstsemesterstudenten darstellt. Das Wort „Geek“ dagegen ist wohl eine Abwandlung von „Freak“. Große Verbreitung bekam der Ausdrucks „Nerd“ durch die Sitcom „Happy Days“ in den 1970er Jahren. Vor allem die amerikanische HighSchool wurde laut Scholz zum Schlachtfeld der Nerds, was schließlich im 1984 erschienen Film „Revenge of the Nerds“ gipfelte.

Anthony Edwards und Lewis Skolnick in "Revenge of the Nerds"
Anthony Edwards und Lewis Skolnick in „Revenge of the Nerds“ | Foto: 20th Century Fox

Der Nerd hatte dabei schon früh ein optisches und charakterliches Stereotyp zugewiesen bekommen: physische Schwäche, hohe Intelligenz, eigenwilliger bzw. unmodischer Kleidungsstil und ein Außenseiter. Vor allem letzteres steht heute im starken Kontrast zu seiner gesellschaftlichen Bedeutung. „Trotz seines Erfolgs, trotz gläserner Konzernzentralen im Silicon Valley, bleibt er der Underdog“, schreibt Scholz in ihrem Buch. Aber ist das tatsächlich so oder inszeniert sich der Nerd nur gern immer noch als Außenseiter?

Superheldenfilme, die mehrere hunderte Millionen Dollar kosten (und wieder einspielen) sind die Blockbuster des Jahres. Comic- und Gamesconventions füllen Messehallen mit Menschenmassen und brechen jedes Jahr ihre Besucherrekorde. Merchandise durchdringt sämtliche Bereiche unseres Konsums: Spielzeug, Kleidung, Lebensmittel.

Superheldenfilme sind innerhalb weniger Jahre vom Fanservice zu Megablockbustern geworden. Die drei großen Film 2016 sind mit BatmanVSuperman, Captain America: Civil War und X-Men: Apocalypse alles Comicverfilmungen | Bild: Marvel

Scholz führt diesen Erfolg zurück zur Filmwelt der 1980er. Mit Steven Spielberg und George Lucas begannen die Karrieren zweier Vaterfiguren der Nerds. So gelangten auf der einen Seite Nerds in die Position einflussreicher Kulturschaffender und auf der anderes Seite wurden sie erstmals als Zielgruppe der Unterhaltungswirtschaft erkannt und in den Fokus genommen.

Trotzdem blieb die soziale Unsicherheit ein zentraler Wesenspunkt des Nerds. So entstand in den 80ern das Charakteristikum des Gemeinsam-Einsamseins, wie Scholz es nennt. Nur unter Gleichgesinnten fühlt sich der Nerd sicher und selbstbewusst. Damit einher gehend entwickelte sich auch die Jungsclub-Mentalität. Über Jahre hinweg etabliert sich eine männlich geprägte Kultur, „die durch einen antisozialen und technisch versierten Habitus ihren Status bewahrt und vor allem Frauen abschreckt – und auch abschrecken soll“. Die Auswirkungen davon bemerken wir noch heute. Verzweifelt wird versucht, Frauen an MINT Berufe heranzuführen, gleichzeitig besteht immer noch eine schädliche Boysclub-Mentalität. Sei es im Unterhaltungskulturbereich (Gamergate) oder in der Berufswelt. Eine aktuelle Studie zeigt etwa, dass der Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen bei Start-ups besonders hoch ist.

Auch Scholz widmet dem „Sexismus der Nerdhegemonie“ ein eigenes Kapitel und geht darin auf Inhalte als auch Darstellungen ein. Dabei zeigt Sie an Beispielen, warum das ökonomische Argument, Frauen wären als Zielgruppe marketingtechnisch nicht geeignet faktisch falsch ist. Und auch wie die Frau als Nerd schon in ihrer optischen Präsentation mehr leisten muss als ein Mann, um glaubhaft zu sein.  Bei einem Mann reichen Brille und ein gewisser Kleidungsstil aus, um als Nerd durchzugehen. Einer Frau wird dasselbe Vorgehen nicht abgenommen.

Frauen müssen sich als Nerd besonders beweisen. Tina Fey wurde anfangs kritisiert, sie sei "zu hübsch für einen Nerd" | Bild: NBC
Frauen müssen sich als Nerd besonders beweisen. Tina Fey wurde anfangs kritisiert, sie sei „zu hübsch für einen Nerd“ | Bild: NBC

Bevor Scholz am Ende auf die politischen Nerds, die Piratenpartei, zu sprechen kommt, erlaubt sie sich einen ausführlichen Abstecher in die Geschichte des Silicon Valleys, um den Aufstieg des Nerds im Technologiesektor zu beschreiben. Dabei zeigt sie wie Technikoptimismus und Markteuphorie zur Lösung der Weltprobleme erkoren wurden und schlussendlich doch nur zur Selbstausbeutung geführt haben.

Die Piraten, die politischen Nerds, gelten für die Autorin als Marker für die Bedeutung digitaler Themen in der Gesellschaft. Sie arbeitet die Probleme des Begriffs „digital natives“ heraus und zeigt die Fehlstellungen des „Post-Gender“-Konzepts auf. Dennoch haben abseits der Piratenpartei die politischen Nerds Hochkonjunktur. Edward Snowden, Wikileaks und Nachfolger haben erheblichen Einfluss auf unsere Weltpolitik, wenn auch nicht in dem Ausmaß und in die Richtung, die sich die Akteure wünschen.

In ihrem Ausblick am Ende zeichnet Nina Scholz ein vorsichtig optimistisches Bild. Immer mehr gerät die Nerdkultur in allen Bereichen auf den Prüfstand der Kritik. Darstellungen beginnen sich zu verändern, Minderheiten und ausgegrenzte Gruppen wollen sich ihren Platz im Nerdtum (zurück) erobern.

Insgesamt bietet „Nerds, Geeks und Piraten“ einen guten Überblick über die Entwicklung und Bedeutung der Nerds und legt an vielen Stellen die Hintergründe und Probleme der Nerdkultur offen. Dennoch ist das kleine Büchlein höchstens ein Einstieg in die soziokulturelle Betrachtung dieser Sphäre. Durch das Literaturverzeichnis im Anhang gibt es jedoch genug weiteren Lesestoff. Obwohl der Text bereits 2014 erschienen ist, ist er immer noch aktuell. Auch das zeigt, dass sich in der eigentlich schnell lebigen  Internetkultur von heute einiges auch innerhalb von zwei Jahren nicht ändert.

Das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe findet ihr auf der Website des Verlags.

 

Buch Cover Nerds, Geeks und Piraten
Johnny Galecki als Leonard in der Serie The Big Bang Theory. Buch Cover von Nerds, Geeks und Piraten

Nina Scholz ist Herausgeberin des HATE Magazins und schreibt unter anderem für die taz, die Jungle World und die Frankfurter Rundschau. Hauptsächlich beschäftigt sie sich mit allen Facetten der US-amerikanischen Gegenwartskultur, mit Filmen und TV-Serien sowie dem digitalen Wandel.

2 Antworten auf „Buch-Rezension: Nerds, Geeks und Piraten von Nina Scholz“

Ich habe das Buch auch bei mir im Regal stehen und weiß nur noch, dass ich mir dachte wie schrecklich platt es mir vorkam. Das woher und warum kam mir viel zu kurz. Meiner Meinung nach, spannen andere Autoren und Autorinnen das Umfeld besser auf und erläutern damit ganz nebenbei die Geschichte der Nerds und Co.

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