CW: Repression, (Staatliche und polizeiliche) Gewalt,
Diesen Samstag ist die linke Onlineplattform linksunten.indymedia.org offline gegangen und offiziell in ganz Deutschland verboten worden. Thomas de Mazière meinte offiziell, sie laufe „nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider“.
Indymedia ist ein Netzwerk, dass weltweit alternative Strukturen unterstützt und eine Plattform für nichtkommerzielle Nachrichten bietet. Es ist kollektiv geführt, spricht sich gegen Hierarchien aus und wird nicht von offiziellen Organisationen, Parteien oder Vereinen unterstützt. „Sexistische, rassistische, faschistische u./o. antisemitische Beiträge jeder Art“ sind unerwünscht und werden gemeinsam mit Werbeposts von der Moderation gelöscht. Es gibt jedoch keine offizielle Redaktion oder Leitung der Seite. Ganz abgesehen von Berichterstattungen und Nachrichten findet man auf Indymedia auch Tipps zur Email-Verschlüsselung, unentdecktem Surfen und sicheren Kommunikationswegen.
Linksunten ist nur ein Teil des deutschen Indymedia-Netzwerks, der ursprünglich vor allem von der süddeutschen („unten“) Szene verwendet wurde, inzwischen aber für autonome Linke im ganzen deutschsprachigen Raum eine Plattform darstellt. Es werden hier Informationen zu geplanten Aktionen, aber auch Bekenner_innenschreiben oder Berichte von Blockaden, Demos und anderen Aktionen veröffentlicht. Besonders nach den G20-Protesten wurde linkunten viel genutzt um sich über das Geschehene auszutauschen und sich gegenseitig zu solidarisieren. Damit stellt die Website auch für all jene, die in dieser Woche polizeiliche Gewalt erfahren hatten, eine Art Sicherheit und Bestätigung dar, vor allem weil viele andere Medien die staatliche Repression verharmlosten oder gar leugneten.
Am Freitag um halb 6 Uhr morgens gab das Bundesinnenministerium plötzlich ein Statement raus, das die Nutzung der Plattform verbot, zur gleichen Zeit wurden Hausdurchsuchungen bei drei Betreiber_innen und einem Kulturzentrum in Freiburg durchgeführt. Die Seite ging ein paar Stunden später offline, vermutlich um weitere Nutzer_innen zu schützen. Zwischendurch konnte man auf der Seite allerdings lesen, dass sie bald zurück komme. Dazu wurde die Declaration of Independence of Cyberspace zitiert.
Es ist klar, dass linksunten bald wieder online sein wird und dass die Online-Vernetzung der linken Szene nicht durch ein kurzes Verbot eingeschränkt werden kann, aber es ist ein weiteres Zeichen der Repression gegen linke Strukturen, die gerade Lieblingswahlkampfthema der großen Parteien geworden ist. Die Plattform wurde schließlich nicht einmal vor dem G20-Gipfel, sondern Wochen danach, mitten im Bundestagswahlkampf, angegriffen, obwohl sie schon seit vielen Jahren besteht und immer für ähnliche Zwecke verwendet wurde. Es ist auch ein Zeichen, dass der Kampf gegen alternative Bubbles und links Organisierte weitergeht, während die AfD und andere rechte Lager immer stärker werden und wenig staatlichen Gegenwind erfahren.
Ich schreibe das alles erst jetzt, weil die Nachricht in mir ein Gefühl von Hilflosigkeit und Überwältigung auslöste. Die strukturelle Bekämpfung von alternativen Strukturen ist zwar nichts neues, aber dadurch, dass die CDU den Kampf gegen „linkextremen Terror“ im Wahlkampf zu ihrem Topthema machte, nimmt es gerade neue Ausmaße an. Aber natürlich ist dieses Gefühl genau das, was das Verbot und staatliche Repression generell bewirken sollen. Gerade jetzt ist es deshalb wichtig, zusammenzurücken und Solidarität zu zeigen mit all jenen, die durch das Verbot direkte Repression erfahren (haben). Es gab schon erste Reaktionen auf die Aktion, in Berlin und Freiburg gab es beispielsweise spontan Demonstrationen, es haben sich außerdem einige Organisationen, Websites, Gruppierungen und Einzelpersonen mit linksunten solidarisiert. Das Verbot ist ein Angriff auf die Netzfreiheit und soll linke Strukturen schwächen. Wir sind also im Moment alle linksunten.
Indymedia hat selbst noch eine etwas differenziertere und umfangreichere Analyse der Situation veröffentlicht, ihr findet sie hier.