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Über Sex und Porno reden

Neulich hatte ich eine Vorlesung in Computerforensik. Der Dozent wollte eine Geschichte erzählen, die er in seiner Berufspraxis erlebt hat und solche (oder so ähnliche) Geschichten sind dort vermutlich wirklich nicht selten. Es ging darin um eine männliche* Person, die sich über Stripclubs in der Umgebung informieren wollte und sich dabei Schadsoftware eingefangen hat. Diese hat ungewollt pornografische Bilder auf dem Rechner der Person hinterlassen. Der Dozent überlegte sichtlich, wie er die Erzählung formulieren soll. Er betonte dabei, dass er diese Geschichte nicht erzählt um irgendwelche anwesenden Personen, vor allem Frauen*, zu verletzen. Vielleicht weil er generell Wert darauf legt, vielleicht hätte er die Geschichte aber anders erzählt, wenn keine Frauen* anwesend gewesen wären.

Im Nachhinein gingen mir mehrere Dinge durch den Kopf, die ich hier gerne teilen möchte, vielleicht auch um andere Ansichten zu hören.

Meiner Ansicht nach, ist es absolut okay in dieser Situation über Pornografie zu sprechen, solange Beispiele der Realität entsprechen und es für das Verständnis von Situationen die im Beruf auftreten können hilfreich ist. Eine Erfahrung die ich immer wieder mache ist, dass Menschen annehmen, sobald es um Porno oder Sex geht, müsste ich sofort zutiefst beleidigt sein oder mich unglaublich unwohl fühlen. Diese Annahme trifft, zumindest für mich, nicht zu, sofern verschiedene Bedingungen erfüllt sind.

  • der_die Sprecher_in unterlässt es, ungefragt überflüssige Details (z.B. detaillierte Schilderungen, Bilder) zu erzählen/zeigen
  • er_sie spricht nicht über vermeintlich allgemeine Vorlieben (d.h. hetero, oft aus männlicher* Sicht – oder auch was Frauen* aus männlicher* Sicht mögen)
  • er_sie vermeidet sonstige Wertungen (abartig, pervers …) oder Ausschmückungen
  • er_sie verwendet Porno oder Sex nicht bewusst als Beispiel um Lacher innerhalb der Peergroup (Nerds, Geeks, Informatiker…) zu kassieren. Das heißt auch hinterfragen: wenn es nicht um Sex oder Porno geht, warum dann gerade ein Beispiel in dem es darum geht?

Vermutlich kommt nun die Frage auf, warum ich solche Bedingungen aufliste, wo der Dozent diese doch alle irgendwie erfüllt hat (mal abgesehen davon, Frauen* direkt als diejenigen die sich daran stören könnten zu markieren). Das liegt daran, dass ich schon verschiedene andere Situationen erlebt habe, wo ich mich genau aufgrund solcher Dinge unwohl gefühlt habe. In diesen Situationen war Porno/Sex absolut off-topic und es wurden diskriminierende und heterosexistische Worte/Gesten/Bilder verwendet, meist um Lacher zu provozieren. Es ist schwer zu vermitteln, dass nicht Sex oder Porno oder beides das Problem sind, sondern die Art wie damit umgegangen wird.

Ich halte es nicht für notwendig, ein solches Beispiel mit allen Mitteln zu vermeiden, wenn es sich so zugetragen hat. Es geht für mich einzig und allein darum, wie und warum darüber gesprochen wird. „Verklemmte Frauen*“ sind keine Antwort darauf, warum Situationen in denen Sex und Porno thematisiert wird unangenehm und abschreckend sein können. Diskriminierung, Belästigung, Gewalt und (Hetero-)Sexismus schon.

Auch bei Geekfeminism.org ging es schon mal darum, wie Konferenzen aussehen können, wenn Sex und Porno on-topic sind.

Von Melanie

Melanie macht irgendwas mit Computern und hat Femgeeks gegründet.

8 Antworten auf „Über Sex und Porno reden“

Zusatz zur Liste, die ich bisher für mich auch so unterschreiben würde:
– Wertung/ Diskriminierung der Darsteller.
Was ich dmait meine ist: Aus meiner bisherigen Erfahrung im Bekanntenkreis, aber auch mit Medien habe ich bisher immer das Fazit gezogen, dass Frauen, die in Pornos mitspielen grundsätzlich als minderwertig dargestellt werden. Sie sind eben nichts weiter als „Huren“ (um mal auf schlimmere Ausdrücke zu verzichten), die nicht anderes drauf haben etc. Männliche Darsteller in Pornos hingegen werden gar nicht gewertet. Sie werden zwar auch nicht als Helden gefeiert (man erinnere sich an die allseits beliebte Diskussion „Wenn ein Mann mit vielen Frauen schläft…, wenn eine Frau mit vielen Männern schläft…“ ), aber eben auch nicht zu minderwertigeren Menschen herab gesetzt.

Ich bin zwar ganz persönlich der Meinung, dass Frau/Mann sich nur selbst schaden kann, wenn sie/er in solchen Filmchen mitspielt und alles von sich preis gibt, aber das sollte keine Rolle spielen, wenn es doch eigentlich um ganz andere Dinge geht, wie du auch schon in deinem Artikel beschrieben hast.

Dass Fau sich angeblich grundsätzlich unwohl fühlt beim Thema Sex/Porno ist vermutlich gar nicht sooo weit hergeholt. Auf mich trifft das zwar nicht zu, aber ich kenne eben doch einige Mädels, die in hysterische Kicheranfälle ausbrechen, oder ganz schweigsam werden, wenn es um derartige Themen geht. Ich _vermute_ dass das anerzogenes Verhalten ist. Mädchen sind brav, Sex ist pfui…so ungefähr. Frauen gucken ja auch nie Pornos. Sie geben auch keine komischen Körpergeräusche von sich, schwitzen nie oder müffeln mal…ihr kennt das sicher.

Ich würde nicht sagen, dass die von dir genannten hysterischen Kicheranfälle beim Thema Sex Geschlechtsspezifisch sind, also jedenfalls gibt es meiner Meinung nach viele Menschen, die bei der geringsten Erwähnung schon ins „hihihihi“ verfallen.

Abgesehen davon, mag ich den Begriff hysterisch nicht, weil er einerseits ableistisch ist und anderseits die Herkunft daher stammt ein Frauenleiden herbeizuzaubern (man ging davon aus, dass es eine psychische Störung ist die ihre Ursache in der Gebärmutter hat) und Frauen entsprechend abzustempeln und zu behandeln. Ich gehe einfach mal nicht davon aus, dass sowas deine Intention war (gerade wegen anerzogen und so), möchte das aber anmerken. :)

Mit dem letzten Punkt hast du natürlich recht. Es existiert eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber Frauen und diese wird wohl nach aussen hin aus unterschiedlichen Gründen oft erfüllt, auch wenn sie nicht der Realität entspricht.

Himmel, nein das war ganz sicher nicht meine Intention, wie du richtig erkannt hast x)
„hysterischer Kicheranfall“ war von meiner Warte her nichts weiter als ein kleines Wortspiel um zu verdeutlich was ich davon halte, wenn die Menschen bei den Themen ins „hihihi“ verfallen, wie 10 jährige, die sich freuen, wenn jemand etwas „schlimmes“ gesagt hat.

Für geschlechterpezifisch halte ich das ebenfalls nicht. Wie Leslie schon beschrieben hat, gibt es auch genug Situationen, in denen Männer so reagieren. In meinem ersten Kommentar wollte ich nur Bezug zum Thema „wie Frauen (angeblich) reagieren“ nehmen.
Also alles gut ;)

Ich krieg schon jedes mal Gänsehaut, wenn ein Prof anfängt mit „Ich weiß nicht, ob ich das jetzt erzählen darf, wenn Damen anwesend sind…“ (Das heißt entweder: „Jetzt kommen total sexistische Witze (üblicherweise Comics), über die alle Männer lachen werden.“ Oder: „Jetzt kommt irgendwas unreflektiertes über Pornos.“ Das mit Sicherheit nicht den oben genannten (und total sinnvollen) Punkten entspricht.

Alternativ kann es auch heißen: „Jetzt kommt irgendwas, was mit Krieg, Blut oder Gewalt zu tun hat.“ Das können die „Damen“ natürlich nicht aushalten, ist ja logisch. Das ist aber eher selten, der Regelfall ist der zuerst aufgeführte.

Wenn ein Prof mit so was anfängt, führt das dazu, dass ich als einzige Frau in der Gruppe erstmal von allen angestarrt werde. Ob er will oder nicht, führt er mich damit vor meinen Komillitonen vor, weil ich ein anderes Geschlecht habe. Meine Komillitonen (plötzlich wieder im Kopf 12 Jahre alt) lachen blöde und verziehen das Gesicht, ein paar Kommentare von „die Dame“ und „nicht so damenhaft“ schwirren durch den Raum.

Als nächstes starrt mich der Prof an, um zu sehen, wie ich reagiere. Damit hat mich jede einzelne Person im Raum blöd angeguckt. Besser kann man jemanden nicht auf den Präsentierteller stellen, oder? Ich schüttel den Kopf, zuck die Achseln und sag: „Das hat doch damit nix zu tun.“ Bahn frei für sexistischen und unreflektierten Müll!

Vielleicht hilft es in deinem Fall, nach der Vorlesung einmal mit dem Prof darüber zu sprechen. Solche Aktionen und Reaktionen gehen oft auf eine gewisse Unsicherheit zurück. Wenn du ihn darauf ansprichst und deinen Punkt darlegst, sollte so etwas nicht mehr vorkommen.
Die von dir geschilderte Situation klingt nämlich ziemlich unangenehm und degradierend. Ich hoffe, dass der Prof sein Verhalten ändert und du dich bald wieder wohler fühlen kannst.

Vermutlich könnte das schon etwas bringen, andererseits kann ich auch verstehen wenn eine darauf keinen Bock hat. Es gibt Professoren die Kritik in der Hinsicht aufnehmen und sich bessern, leider gibt es aber auch solche die dann die Situation so hindrehen, dass eine ja eine einzelne frustrierte Person wäre, die sich an Kleinigkeiten aufhängt. Beides schon erlebt.

Ich kenne diese Situation, das Gefühl von allen Augen im Raum angeschaut zu werden, die Erwartung einer Reaktion quasi als Stellvertreterin für alle Frauen*, die Gänsehaut.

Deshalb bin ich dir sehr dankbar, dass du das hier ergänzt hast. Es macht mich dennoch traurig, dass auch andere solche Erfahrungen machen müssen. Ja, das ist die aktuelle Situation, wie sie jeden Tag Tausendfach an Universitäten aussieht.

Ich reagiere meistens ausschließlich mit einem Schulterzucken oder anderen Zeichen der Gleichgültigkeit. Möchte niemandem eine Bestätigung für irgendwas geben und nicht Stellvertreterin sein.

Die Diskussion hier ist schon ein paar Tage her, aber da es mich an anderer Stelle gerade wieder einholt:

Die Debatte übers „über Sex reden“ löst bei einigen (meist Männern) den gleichen Reflex aus wie Debatten über Vergewaltigungen. Der Gedanke, einfach mal darauf zu verzichten, wenn Beteiligte das nicht gut finden oder mensch sich nicht sicher ist, ob sie das gut finden, scheint unerträglich.

Da wird gejammert, es gäbe Sprechverbote, man sei sich nicht mehr sicher, am Ende könnte ja jede Vergewaltigung rufen. Willkommen in der „Vergewaltigungskultur“. Mann(!) hat ein Anrecht auf das Ausleben seiner Sexualität und das überall und jederzeit. Jede Einschränkung ist nicht einfach ein Beitrag zum angenehmeren, reibungsfreieren (pun intended) Zusammenleben sondern bedroht die Freiheit. Buuhuu.

Für Frauen ist das „über Sex reden“ dabei leider eine tricky Sache, die schnell bei „diese Schlampe“ endet, auch heute noch. Unter Freund_innen mag es heute akzeptiert sein, im erweiterten öffentlichen Leben aber noch lange nicht. Deswegen fällt es mir schwer, Männern Applaus zu klatschen, die dieses Recht einfordern – meistens nämlich, ohne sich über die ungleichen Zugangsbedingungen Gedanken zu machen.

Um diesen Aspekt würde ich die hier genannten Kriterien daher gerne erweitern. Warum kann ein_e Sprecher_in eigentlich über Sex reden, wer kann in der Diskussion mitreden und wer nicht?

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