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Es leid sein oder: Meine kurze Teilnahme am Blog-Projekt

Ich bin raus. Raus aus diesem Blogger_innen-Projekt, das eigentlich ganz vielversprechend klang. Wenn ich es überhaupt Blogger_innen-Projekt nennen darf.

Aber der Reihe nach:Angefangen hat das ganze mit dem Projekt in Österreich, dem viele österreichische Blogger_innen beitraten, um sich besser zu vernetzen, ihre Vernetzung zu visualisieren und zu verbessern. Das ist eine echt coole Sache, um die Blogosphäre übersichtlicher zu machen, zu bündeln und Gleichgesinnte zu finden. Gerade für mich als Bloggerin, die sich mit Gender beschäftigt, ist Vernetzung wichtig, denn viele Blogs von Frauen* bleiben unbemerkt, erlangen nicht sofort so viel Aufmerksamkeit und sollten durch die Community aufgenommen werden. Also war die Idee: Versucht man das Ganze auch mal mit den deutschen Blogger_innen! Und da komme ich irgendwie ins Spiel.Ich wurde also in diese Gruppe eingeladen. Name: „Deutschlands Blogger: ein Projekt“. Okay. Hab ich mal reingeguckt. Der Name stört mich. Wieso kann man das nicht neutral formulieren? Wieso müssen wir uns jetzt schon wieder, wo wir doch aus so vielen verschiedenen Richtungen kommen und durch das Netz so viele Möglichkeiten haben, so männlich-dominant durch Sprache geben? Also hab ich mal nachgefragt.

Beitragt von Merle in der Facebookgruppe: Bin erst ein paar Minuten in dieser Gruppe und weiß nicht, ob das schon angesprochen wurde, aber: Wie wäre es mit einem genderneutralen Namen?

Soweit doch eigentlich kein Problem, oder? Und ja, es gab auch eine Erklärung dafür. (Und damit an dieser Stelle ein großes Danke an Luca Hammer, der in dieser Diskussion standhaft geblieben ist ohne sich auf die dummen Kommentare einzulassen).Teils wurden in der folgenden Diskussion auch noch Argumente ausgetauscht, wie man den Namen ändern könnte, sodass alle zustimmen könnten und andere versuchten wiederum andere von ihren Standpunkten zu überzeugen. Alles soweit in Ordnung und gewohnt.

Beitrag bei Facebook von Luca Hammer: Ich klar für einen neutralen Namen, wie man auf http://2-blog.net/projects/deblogger/explore sieht. Es wurde hier schon diskutiert. https://www.facebook.com/groups/deblogger/permalink/337231109713852 Das Problem bei der Gruppe: Man konnte sie nur bis 250 Mitglieder umbennen. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht Admin. Wer ein Problem damit hat, dass ich versuche eine neutrale Sprache zu verwenden, darf die Gruppe gerne verlassen, mich kritisieren oder Hassmails schreiben. Es ist jedoch kein Thema, über das ich länger diskutuere. Danke.

Und dann wurde es eigentlich ziemlich unerträglich: Immer mehr Leute fühlten sich dazu gezwungen, ihren Senf dazuzugeben. Zu sagen „Hey, für mich muss es nicht geändert werden“ ist doch absolut kein Problem. Aber stattdessen fing so ein Rumgetrolle an, das von „Warum muss ich bei solchen Diskussionen nur immer an Life of Brian denken…“ bis „Ich hätt noch n restbestand political gender correctness abzugeben… :rolleyes“ reichte. Ja, danke und tschüss. Das ist ja leider das Niveau, auf dem diese Diskussion immer wieder geführt wird. Dann kommen noch die üblichen Kommentare „Also ich als Frau…“, die natürlich implizieren, dass dadurch die Diskussion beendet ist, denn: Wenn sie das sogar als Frau so sieht, dann ist das wohl so richtig! Letztendlich kam dann auch noch ein ach-so-lustiger Kommentar um Unmut gegen Feminist_innen zu schüren: „Das typische Merkman von „Innen“ ist, dass sie nicht aufhören können zu diskutieren […]“. Ja, die bösen „Innen“!!!1. Wir alle, die wir uns alle paar Tage mal (oder öfter) im Internet bewegen und Blogs lesen, wissen: Es ist, genau wie alle öffentlichen Räume, männlich dominiert. Hier wird genauso gegrätscht, hier wird Platz beansprucht, Diskussionen werden ähnlich geführt und beendet und das Potential, zum geschlechtslosen Raum zu werden, wird nur selten genutzt. Es gibt also schon weniger bekannte Bloggerinnen als Blogger (was übrigens auch die Statistiken und Visualisierungen des Projekts zeigen). Wieso müssen wir uns dann ausgerechnet schon wieder für einen maskulinen Namen entscheiden? Damit wir uns endgültig wieder in einem Männerclub bewegen? Muss das sein?

Gut, alles schon erlebt. Aber dann ging es ganz runter in den Keller und das war dann der Moment, in dem ich für mich (und auch noch mindestens eine andere) entschieden habe, mir diese Gruppe nicht länger anzutun. Wer bitte möchte bei der gendergerechter/gendersensibler Sprache irgendeinen Bezug zu sexualisierter Gewalt aufbauen? Richtig: Niemand. Nur die nette Frau, die Folgendes meinte äußern zu müssen:

Beitrag bei Facebook (Name geschwärzt): Ladies, Ihr tut uns mit dieser Diskussion keinen Gefallen. Wenn mir ein Typ an den Hintern packt und dazu anmerkt, ich sei eine echt geile Bloggerin, dann bekommt er von mir aus zwei Gründen auf die Zwölf: Der erste ist das 'IN am Blogger. Respekt hat mit Sprache zu tun, aber nucht nur. Mit Sprache transportiert man Respekt. Oder eben nicht. Wenn trotz mannigfaltiger Hinweise am offensichtlichen Ende einer Diskussion immer noch einmal ein Zitat, ein Argument oder ein Blogbeitrag hingeworfen wird, der jetzt aber ganz bestimmt dazu führen wird, ALLE hier zu bekehren, dann ist DAS respektlos. Und agressiv. Lasst es doch jetzt bitte einfach. Oder macht eine eigene Gruppe dazu auf. Ich denke, hier wurde jetzt wirklich alles gesagt.

Ahahahaha, ist ja richtig lustig. Wir sind respektlos, weil wir auf einzelne Blogbeiträge hinwiesen (immerhin in einem Forum mit Bloginteressierten Menschen). Und außerdem: Wenn ihr ein „Typ an den Hintern packt“, dann wehrt sie sich (natürlich), aber nur, weil er sie „Bloggerin“ nennt und damit das schöne generische Masikulinum versaut! Geht’s noch? Ich bleibe in keinem Forum, in dem sexualisierte Gewalt relativiert und ins Lächerliche gezogen wird! Das geht gar nicht und überschreitet jede „Toleranz“grenze.

Und nun noch ein paar Takte von mir über die deutsche Blogosphäre und warum das natürlich ein Ort ist, an dem gendersensibel formuliert werden sollte.

  1. Uns muss bewusst sein, dass öffentliche Räume von Männern beansprucht werden, dass sie Platz einnehmen, Platz wegnehmen und die Norm setzen. Das Internet sollte ein geschlechtsfreier (zumindest jedenfalls diskriminierungsfreier) Raum sein. Trotzdem werden aber mehr Blogs von Männern bekannt und geteilt. Frauen bloggen zwar, jedoch werden die Blogs oft nicht bemerkt, weil sie einfach nicht so viel support erhalten. Und dass es das Problem, dass Raum nicht paritätisch aufgeteilt ist, ebenso im Internet haben, zeigen auch die Statistiken und Visualisierungen des Blogger_innen-Projekts. Das Problem ist bewusst und schwarz auf weiß aufgeschrieben. Trotzdem entscheidet man sich dafür, auch dem eigentlich geschlechtsfreien Forum gleich mit dem Namen einen Stempel aufzudrücken: Männerclub. Ist es nicht klar, dass das keine Frauenförderung ist? Problem bekannt, Lösung verweigert?
  2. „Ich als Frau“ ist keine Argumentation. „Ich als Frau“ gibt es nämlich gar nicht. Ja, es gibt geschlechtsspezifische Diskriminierung gegenüber allen Frauen. Aber habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass Frau trotzdem nicht gleich Frau ist und dass einige Frauen (durch Abweichung von heteronormativen gesellschaftlichen Normen) noch viel mehr Scheiße erleben? Es mag sein, dass „sie als Frau“ das generische Maskulinum nicht stört. Das freut mich für sie, damit hat sie es einfach! Es gibt nämlich auch Menschen, die es stört. Mich zum Beispiel. Und es sind nicht nur Frauen, die davon gestört sind, es sind alle Nicht-Männer. Alle, die die gesellschaftliche Norm „Mann“ nicht erfüllen. „Ich als Frau“ ist damit genauso subjektiv wie ein einfaches „Ich“.
  3. Wie Sprache funktioniert, welche Auswirkungen sie hat und warum gendersensible Sprache richtig ist und es kein generisches Maskulinum gibt, wurde schon mehrfach aufgeschrieben. Dafür sind die Texte von Anatol Stefanowitsch im Sprachlog auf jeden Fall zu empfehlen und ich selbst habe auch schon zusammengefasst, wieso ich es wichtig finde, zu nicht ausschließlich maskulin zu gendern.

Jedenfalls hat mir dieser kleine Ausflug in die unsensiblen unreflektierten deutschen Blogosphären eines wiedermal klar gemacht (eigentlich war es auch vorher klar, nur musste ich diesen Ausflug naiverweise mal wagen):

Solidarität unter Feminist_innen überall auf der Welt, im Netz und auf der Straße ist einfach so viel mehr wert als eine Community, in der nur ein Hobby verbindet. Liebe Feminist_innen, ihr seid großartig, ihr gebt mir jeden Tag die tollste Lektüre zu lesen und seid progressiver als diese Menschen, die uns als „Innen“ bezeichnen und respektlos im Netz rumtrollen. Verschwenden wir keine Kraft mehr darauf und vernetzen uns, tauschen uns aus, unterstützen und solidarisieren uns!

Unsere Gastautorin Merle lebt derzeit in Budapest, leistet dort einen Freiwilligendienst in einer Grundschule und genießt das Leben in der Großstadt in vollen Zügen. Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich nun mit Feminismus, seit September 2012 kann man ihre Gedanken zu heteronormativen und sexistischen Strukturen nun auch in ihrem eigenen Blog verfolgen. Seit einem Monat tauchen dort auch ab und zu mal Artikel über die politische Situation in Ungarn auf. Dieser Gastbeitrag entstand nach einem unschönen Erlebnis mit der deutschen Blogosphäre.

Eine Antwort auf „Es leid sein oder: Meine kurze Teilnahme am Blog-Projekt“

Ich nehme mir kurz heraus darauf hinzuweisen, es sind nicht nur Frauen* und Nicht-Männer*, sogar Männer* fühlen sich vom generischen Maskulin bisweilen gestört – und sei es erstmal nur als stetes Hindernis beim Versuch des „Verzichts“ (nennen wir das so?) auf ungewollte eigene Privilegien.

Das fehlte mir jetzt irgendwie in der Aufzählung (auch wenn mir bewusst ist, dass es gute Gründe gibt warum es nicht aufgezählt ist, zumindest wohl nicht in der selben Liste aufgezählt werden sollte).

Das ist also jetzt solidarisch gemeint. (Bisweilen ist es denke ich gut, auch das klar zu äußern).

Dafür habe ich umgekehrt auch den Unterstrich in Feminist_innen deutlich wahrgenommen :-)

Apropos Ausflug: war vorhin kurz bei Heise, Stichwort Artikel „Rekordhoch beim Frauenanteil im Informatikstudium“. *schüttel*

Danke für den – wenn auch frustrierenden – Erlebnisbericht.

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