Zoe Quinn, die wie keine andere Person mit der GamerGate Problematik verknüpft ist, hat einen langen, erhellenden und betrübenden Blogpost veröffentlicht. Darin erklärt sie in erster Linie, warum sie die Belästigungsklage gegen ihren Exfreund nun fallen lässt.Wir auf Femgeeks stehen mit und zu Quinn und wollen hier versuchen ihre Entscheidung zu übersetzen und kommentieren.
Dazu geht sie zunächst auf das US-amerikanische Rechtssystem in Bezug auf Belästigung und Misshandlung ein. Das Justizsystem in den Vereinigten Staaten versteht sich als Bestrafungsorgan, nicht als Schutzorgan. Und das ist das Problem. Quinn stellt klar: Obwohl sie selbst einige Privilegien genießt (im Vergleich etwa zu PoCs oder Sexworkern); obwohl ihr Fall internationale mediale Aufmerksamkeit hatte; obwohl der Großteil dokumentiert wurde und als Beweismittel fungierte – sie hatte Angst vor gerichtlichen Repressalien. Dennoch, ihre Chancen auf ein erfolgreiches Verfahren standen gut.
Warum Quinn trotzdem die Anklage fallen lässt?
Zum Einen wegen der immer wiederkehrenden Spirale der Bedrohung, die ihr Exfreund heraufbeschwor. Jedes Mal, wenn es in dem Fall etwas Neues gab, rannte er zu seinem GamerGate Mob, erzählte neue Lügen und bat um finanzielle Unterstützung. Der Mob tat sein Übliches und stürzte sich auf Quinn, ihre Familie und andere (vermeintliche) Beteiligte. Drohungen, Stalking und Beleidigungen waren die Folge. Alles nur, weil ihr Exfreund sie bestrafen und verletzen wollte. Und das Justizsystem scheiterte. Denn Bestrafungsmaßnahmen sind keine Schutzmaßnahmen. Die einstweilige Verfügung gegen ihren Ex hätte die Sache für sie nur schlimmer gemacht. Die Drohungen wurden härter, häufiger.
Zusätzlich verlor Quinn immer mehr das Vertrauen in das Justizsystem als Ganzes und führt als Beispiele Urteile aus anderen häuslichen Gewaltverfahren, die Tötungen von PoCs durch Polizisten ohne Bestrafung und die geringen Erfolgsaussichten von Vergewaltigungsanzeigen an. Der Druck auf die anklagende Person sei immens, vor allem durch Victim Blaming und Diskriminierung von Minderheiten. Die Tatsache, dass Quinn sehr offen mit ihrer Depression und ihrer Vergangenheit als Sexworkerin umgegangen ist, wurde vor Gericht gegen sie verwendet. Richter, die keine Ahnung von diesem Internet oder gar Online-Mobbing hatten und das offen zugaben, nahmen Quinn das Vertrauen. Selbst wenn ihr Exfreund ins Gefängnis käme, würde er als Märtyrer gefeiert und Quinn wäre weiterhin die Zielscheibe für Hass.
Zwei Jahre bestand ihr Leben nahezu ausschließlich aus dem Gerichtsverfahren und dem Zurechtkommen mit GamerGate. Quinn erklärt, dass sie mit der Sache endlich abschließen will. Sie ist müde, ausgelaugt, kaputt. Sie kann diesen Kampf nicht gewinnen, sie kann nicht die Vorreiterin sein.
Und das muss sie auch nicht sein. Die eigene Gesundheit ist bei weitem wichtiger als zur Ikone der Anti-Hass-Bewegung zu werden und dabei zugrunde zu gehen. Außerdem hat Quinn schon einiges für den Kampf gegen Onlinehass und Missbrauch geleistet. Sie gab der ganzen Sache ein Gesicht. Und sie hat gezeigt, auch jetzt durch ihre offenen Worte, dass einiges schief läuft in unserer Gesellschaft. Nicht nur versagen die einzelnen Gesetze und Justizsysteme (egal welchen Landes) im Umgang mit Hasskommentaren, Mobbing und Gewalt. Auch die Betreiber von Plattformen haben immer noch keine funktionierenden Mechanismen und Systeme gefunden, gegen diese Dinge vorzugehen. Twitter macht alles andere, nur kein vernünftiges Support- und Report-System. Facebook löscht lieber Bilder von nackten Frauenbrüsten als Gruppen und Kommentare von rechtsradikalen oder ausländerfeindlichen Kreisen. Websites von Magazinen oder Zeitungen haben kapituliert vor der Flut der destruktiven Kommentare und schalten diese entweder ab, kommen mit dem Löschen nicht mehr hinterher oder lassen eine Moderation gleich bleiben.
Um zu zeigen, dass wir als Gesellschaft damit nicht einverstanden sind, dass wir uns damit nicht abfinden, sind Aktionen wie #Aufschrei und #Ausnahmslos wichtig und richtig. Sie alleine werden das Problem aber nicht lösen können. Wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, dass Fälle wie der von Zoe Quinn sich nicht wiederholt und Täter zur Rechenschaft gezogen werden und Opfer ausreichend geschützt werden. Das erste, das wir deshalb noch mehr, noch besser machen müssen: Zuhören. Erfahrungen ernst nehmen. Kritik nicht einfach wegwischen. Das ist bisweilen anstrengend und sicherlich nicht schön. Aber es ist verdammt noch mal notwendig. Aber nicht nur wir als Individuen, auch gesamtgesellschaftlich müssen wir etwas tun. Gegen diskriminierende Strukturen, Institutionen und Strömungen, um Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu dekonstruieren. Das können wir nur als Gruppe, die sich dagegen stellt. Sonst überlassen wir den Gamergatern die Gestaltungshoheit. Und das ist eine Dystopie, in der wir nicht leben wollen.