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Rezension „Hack’s selbst“

Buchcover Hacks selbstWie vermitteln wir Jugendlichen diese „Medienkompetenz“? Wie begeistern wir sie vielleicht sogar für etwas ausgiebigere Technik-Bastelei, ohne sie dabei mit dröger Theorie zu langweilen? Diese Fragen scheinen Chris Köver, Sonja Eismann und Daniela Burger bei der Arbeit an ihrem neuen Buch geleitet zu haben. „Hack’s selbst! Digitales Do It Yourself für Mädchen“ ist das dritte D.I.Y.-Buch der Herausgeberinnen des Missy Magazine. Es ist im Sommer erschienen und lohnt einen genaueren Blick.

Die drei beginnen das Buch mit einer Erkärung des Begriffs „Hacken“: Hacken heißt, Dinge mit Technik zu verbessern und zwar selbst. Ihre Botschaft: Ihr könnt Technologien für Eure eigenen Zwecke einsetzen, egal ob Ihr gerne schreibt, sprecht, filmt, designt, programmiert oder bastelt. Auf diese Einleitung folgen sieben großartig illustrierte Kapitel, in denen zahlreiche Autor*innen ihre persönlichen Steckenpferdchen vorstellen. Alle werden neben ihren Beiträgen kurz vorgestellt, manche werden außerdem zu ihrem Werdegang interviewt. Das ist sehr schön, denn es zeigt eine große Bandbreite an Menschen und digitalen Betätigungsfeldern.

So erfahren die Lesenden, wie sie eigene Spiele entwickeln, ein Megafon bauen oder ihre Handschuhe touchtauglich machen. Wer Inhalte rüberbringen möchten, lernt Bloggen, Podcasten, YouTuben, die Wikipedia zu bearbeiten, animierte Gifs zu erstellen und vieles mehr. Den Anleitungen sind jeweils drei Zusatzinfos beigefügt: Zu wievielt kann man das machen? Wie lange dauert es? Kostet es Geld und, wenn ja, wie viel? Als Programmiereinstiege werden HTML, CSS und Ruby vorgestellt. Tipps für die Absicherung der eigenen Online-Kommunikation nehmen ein ganzes Kapitel ein: Dort werden E-Mail-Verschlüsselung, WLAN-Absicherung, Passwortsicherheit, die Gestaltung der eigenen Online-Identitäten und Anonymisierungswerkzeuge erklärt. Neben technischen Maßnahmen geht es in diesem Kapitel auch um konkrete Tipps zum Umgang mit Angriffen, Stalking oder aus Versehen publizierten Dingen. Ihr seht schon: Dieser Fundus geht weit über irgendwelches Gehacke hinaus und kommt eher einem Rundumschlag in Sachen Medienkompetenz gleich. Dabei gilt allen Autor*innen stets: In der Kürze liegt die Würze – wer tiefer einsteigen möchte, weiß jetzt, wonach er*sie suchen muss.
Inhaltsverzeichnis Hacks selbst

Die Herausgeberinnen haben es gleichzeitig geschafft, nicht nur ein Buch voller Howtos zusammenzustellen. Die konkreten Bastelprojekte werden nämlich ergänzt durch kurze Inputs zum gesellschaftlichen Zusammenhang: Von Copyright über Elektroschrott bis hin zu Diskriminierung geben sie Anregungen, sich über das unmittelbare Frickeln hinaus mit digitalen Themen zu beschäftigen.

Was neben den Inhalten positiv besticht, ist die empowernde Art und Weise, auf die das Buch geschrieben ist: Im Intro klingt es noch nach einer sehr hoch gehängten Latte: „Wir wünschen uns, dass (…) in Zukunft noch viel mehr Mädchen und Frauen programmieren, hacken und ihr Wissen verbreiten.“ Was darunter im Laufe des Buches alles gefasst wird, ist erfrischend breit, oft niedrigsschwellig und richtet sich an Menschen mit ganz verschiedenen Interessen. Verschiedene Autor*innen betonen immer wieder, dass es die Inhalte der Macher*innen sind und es bei ihnen liegt, wie sie das tun wollen, was sie tun. Auf eine schöne, subtile Weise wird z.B. auch vermittelt, dass nicht alle Menschen verbreiteten Schönheitsidealen entsprechen.

Ein paar Fragezeichen bleiben bei der angesprochenen Zielgruppe des Buches: „Mädchen“. An wen richtet sich das Buch? Sind Mädchen im Sinne von weiblich sozialisierten Menschen gemeint, die sich selbst mit der Bezeichnung angesprochen fühlen? Dann könnte das Buch an all denen vorbeigehen, die sich von einer so stark (zwei-)geschlechtlich konnotierten Bezeichnung nicht gemeint fühlen. Schade, denn inhaltlich ist es eben nicht für eine geschlechtlich eingeschränkte Gruppe geschrieben. Sexistische Diskriminierung von Mädchen und Frauen im Netz ist zwar in mehreren Artikeln Thema. Dennoch bleibt Geschlecht nicht als einzige Diskriminierungskategorie stehen. Auch rassistische Angriffe oder Angriffe gegen homosexuelle oder Trans-*-Menschen kommen vor. Warum genau die Zielgruppe mit dem diffusen Wort „Mädchen“ eingeschränkt wird, bleibt unklar.

Oder sind „Mädchen“ im Sinne von Kindern und Jugendlichen gemeint? Wenn ja, dann gibt es in diesem Buch mit Sicherheit Erklärungsbedarf. Viele der Autor*innen haben einen akademischen Hintergrund, und das merkt man an ihrer Wortwahl: Ob Jugendliche zwischen – sagen wir – zwölf und sechzehn Jahren etwas anfangen können mit „Weben als weiblicher Kulturtechnik“ oder dem „Zugang zu den Produktionsmitteln“ ist fraglich. Manche Textfragmente sind zudem in der Insidersprache derjenigen geschrieben, die seit Jahren online unterwegs sind. Auch der Hinweis, dass man die Bauteile im Internet bestellen kann, hilft Jugendlichen, die ihre Zutaten selbst einkaufen wollen, nicht unbedingt. Wer also vorhat, dieses Buch zu verschenken, sollte sich vielleicht auch als Ansprechperson anbieten, die Begriffe erklären oder bei der Materialbeschaffung helfen kann.

Zum Abschluss ein Zitat aus dem Artikel „Sicherer bloggen und twittern“ von Stine Eckert:

Reizwörter: Wenn du auf deinem Blog Begriffe wie „Feminismus“ oder „Feministin“ verwendest, finden dich andere, die nach diesen Begriffen suchen. Das ist toll, wenn dadurch Gleichgesinnte auf dich stoßen. Es führt aber auch jene zu dir, die dich für diese Überzeugungen angreifen wollen. Das heißt nicht, dass du diese Worte nicht verwenden sollst. Deine Blog ist dein Blog. Du machst dort, was du willst! Manche Bloggerinnen haben sich trotzdem entschieden, über Feminismus zu schreiben, ohne den Begriff „Feminismus“ zu verwenden.

In diesem Sinne: Feminismus! Nicht nur für „Mädchen“!

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