Aber auch abseits der Marvel und DC-geprägten neuen Conventions gibt es in Deutschland schon sehr lange eine Szene, die sich regelmäßig zu Conventions trifft um sich über Serien, Comics, Kinofilme und natürlich Cosplay auszutauschen. Die Rede ist von Anime- und Manga-Conventions.
Was unterscheidet nun diese beiden Arten von Conventions?
Zunächst einmal der personelle und wirtschaftliche Hintergrund. Während Comic Cons hierzulande fast ausschließlich von gewinnorientierten Unternehmen veranstaltet werden, stehen hinter den Manga-Cons meist Vereine und Scharen von Freiwilligen. Dementsprechend familiärer geht es auch auf letzteren Cons zu. Obwohl vergleichbarer Aufwand bei der Organisation von (meist japanischen) Stargästen betrieben wird, pilgern viele Fans auf diese Veranstaltungen um sich mit Freund*innen und Bekannten zu treffen, gemeinsame Cosplays zu präsentieren und die Atmosphäre zu genießen. Viele Cons haben sich dem angepasst und verkaufen teils separate Tickets für das Außengelände der Veranstaltung, um eben diesen Besucher*innen gerecht zu werden.
Wo auf Comic Cons der groß angelegte Merchandise-Verkauf sehr präsent ist, haben die gewerblichen Händler auf Manga-Cons meist einen separaten Bereich. Mit viel Fläche präsentieren sich hier hingegen die Verlage (Carlsen, Tokyopop, Egmont, aber auch kleinere Verlage wie Krakenkuss oder der auf gleichgeschlechtliche Erotik spezialisierte Verlag Fireangles), Videospiele-Publisher wie Sony, Bandai und Nintento, sowie die deutschen Anime-Pubisher. Ebenfalls wichtig sind je nach Convention die Zeichnermeilen. Gerade auf der MCC, der Con zur Leipziger Buchmesse, der Düsseldorfer Dokomi sowie der Connichi in Kassel präsentieren zahlreiche Zeichner*innen neue Comics, die zumeist im Selbstverlag in kleiner Auflage veröffentlich werden. Noch mehr als Comics sieht man in den Zeichnermeilen jedoch Drucke, kleinformatige Poster, Originale im Magic-Karten-großen KAKAO-Format und Angebote für „Con-Hon“-Einträge. Bei den Con-Hons handelt es sich um personalisierte Skizzenbücher, in denen Fans die Originalzeichnungen ihrer Lieblingszeichner*innen sammeln — oder die ihrer Freund*innen, ganz wie früher im Poesie-Album. Neben den klassischen Print-Produkten verkaufen viele auch selbst gestaltetes Merchandise, von Acryl-Anhängern über Blöcke und Sticker bis hin zu selbst genähten Plüschtieren ist die Bandbreite groß. Der Verkauf von Fanart wird jedoch von den meisten Cons untersagt und auch mehr oder weniger strikt forciert.
Nach meinem persönlichen Empfinden werden die Zeichner*innen auf Manga-Cons also deutlich stärker wahrgenommen als auf Comic Cons, was vielleicht auch daran liegen mag, dass viele selbst einmal als Fans angefangen haben.
Ein weiteres interessantes Thema im Vergleich ist Cosplay. In der Manga-Szene wird hier viel Wert auf selbst gemachtes und Vielfalt gelegt, für viele ist es selbstverständlich, während einer Con jeden Tag einen anderen Charakter zu präsentieren. Dabei sind genderbends – also männliche Charaktere, die weiblich interpretiert werden bzw. andersherum – keine Seltenheit, sondern großflächig akzeptiert, vermutlich auch deshalb, weil die Szene größtenteils aus Frauen* besteht. Online werden dazu Tricks und Produktempfehlungen zum Abbinden der Brüste oder dem Anbringen von Bart-Prothesen diskutiert, als ob es das normalste auf der Welt wäre. Ebenfalls keine Seltenheit sind Fotoshootings mit eindeutigen Posen zwischen zwei (eigentlich) männlichen Charakteren, die Fans shippen in erster Linie homosexuelle Pairings und viele Serien wie Free! oder Haikyuu!! legen es explizit darauf an, Erotik zwischen Männern an sehr vielen Stellen zu suggerieren, aber nie explizit zu machen. Freizügigkeit sieht man ähnlich oft, in der aktuellen Saison bietet insbesondere das Online-Spiel Kantai Collection eine Menge Vorlagen für leichtbekleidete Cosplays mit Kampschiff-Accessoires. Einen Code of Conduct zum Umgang miteinander auf einer Convention gibt es quasi nie, dafür passt man unter Cosplayer*innen auf einander auf und selbst die aufdringlichsten Fotografen mittleren Alters akzeptieren ein „Nein“, wenn eine Cosplayerin gerade keine Fotos wünscht (Dazu muss ich anmerken, dass ich im Bereich Cosplay ein außenstehender Beobachter bin und möglicherweise Probleme existieren, die ich nicht sehe).
Die gesamte Manga-Szene empfinde ich überdies als überaus queer-freundlich. Auch wenn sich in der LGBTIQ*-Praxis übliche Gewohnheiten wie die Frage nach Pronomen noch kaum etabliert haben, ist es das alltäglichste der Welt, wenn zwei Männer* Händchen haltend über die Wiese spazieren oder zwei Frauen* sich in den Armen liegen. Auf nichtbinäre Identitäten wird neugierig eingegangen, wenn diese sich entschließen ihr Geschlecht zu erklären. Persönlich habe ich außerdem den Eindruck, dass sich ein überdurchschnittlich großer Teil der Szene als bi- bzw. pansexuell identifiziert. Wie oben bereits erwähnt, sind Pairings zwischen männlichen Charakteren eindeutig die Norm und werden szeneweit in allen Details diskutiert.
Ich kann allen Comic-interessierten, queer-freundlichen Menschen den Besuch einer Manga-Con nur ans Herz legen. Die Cons bieten ein überaus freundliches, familiäres, queeres Angebot und spannende Neuentdeckungen im Bereich der Indie-Comics. Insbesondere für Comic-Interessierte (die Eigenproduktionen werden meist Doujinshi genannt) empfehle ich die Dokomi 2017, die sich ihrem Namen „Doitsu Komikku Maaketto“ (Deutscher Comicmarkt) im kommenden Jahr alle Ehre machen will und bereits in einer Ankündigung versprach, alle Zeichner*innen die sich um einen Tisch bewerben auch annehmen zu wollen.
Dies ist ein Gastbeitrag von Kiki, auf Twitter unter @kikidergecko zu finden.