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Bedrohung durch Stereotype, oder: Warum Repräsentation so wichtig ist

TQ ist Teil des Teams von „Der k_eine Unterschied“, ist Psychologin und promoviert an einer deutschen Universität zum Thema Stereotype und deren leistungsmindernde Auswirkungen. Der Text erschien zu erst auf Der k_eine Unterschied.

Anstoß zu diesem Artikel gab der Beitrag von Philip Guo zum Silent Technical Privilege, den ich vor einigen Tagen las. In dem Beitrag geht es um den Stereotype Threat, allerdings aus der Sicht derjenigen, die nicht unter ihm zu leiden haben. Aber eins nach dem anderen:stereophonic

Stereotype was?

Der Stereotype Threat betrifft Menschen, die zu einer Gruppe gehören, über die ein negatives Stereotyp existiert. Macht man den Menschen bewusst, dass sie zu der Gruppe gehören, beginnen sie sich Sorgen zu machen: “Was, wenn meine Handlungen das negative Stereotyp bestätigen?” – “Werde ich wegen des Stereotyps anders, vielleicht schlechter bewertet als andere?” – “Muss ich um gut zu sein besser sein als die, die nicht meiner Gruppe angehören?” – “Kann ich das überhaupt schaffen?”

Angst haben bindet kognitive Ressourcen. Die Gedanken kreisen um die Angst, Konzentration auf anderes als die Angst wird zunehmend schwer. Das Tückische daran: Auch, wenn eine*r nur wenig Angst hat, beeinträchtigt das bereits die Leistungsfähigkeit. Ähnlich wie bei einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung verschlechtert sich die Performanz – nur, dass beim Stereotype Threat allein diejenigen betroffen sind, die zu der stereotypbelasteten Gruppe gehören.

Und – wer hätte es gedacht – tatsächlich trägt dieser leistungsmindernde Effekt des Stereotype Threat dazu bei, den Stereotyp aufrecht zu erhalten.

Ein Teufelskreis. Dabei trifft der Stereotype Threat zynischerweise gerade Frauen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Fachgebiete, in denen in Deutschland fähige Menschen fehlen.

Die Spiegelwelt der impliziten Bestätigung

Doch wie sieht es auf der anderen Seite des Stereotype Threat aus? Diese Welt scheint, wie man in Philip Guos Artikel lesen kann, eine Welt voller selbstvertrauensstiftender Erwartungen zu sein. Wie wohltuend und motivierend das sein kann, konnte ich bis zum Lesen des Artikels nicht einmal erahnen. Man stelle sich vor: Menschen nehmen anhand von positiven Stereotypen an, dass ich Dinge einfach so kann! Programmieren, zum Beispiel. Oder Handwerken. Oder einparken.

Auch hier hat die Erwartung einen deutlichen Effekt. Immer wieder wird der Autor des Artikels mit den positiven Erwartungen der Außenwelt konfrontiert: Du kannst doch programmieren, oder? Du hast das doch schon gemacht! Dann kannst du das hier auch! Du weißt, worum es geht!

For instance, whenever I attended technical meetings, people would assume that I knew what I was doing (regardless of whether I did or not) and treat me accordingly. If I stared at someone in silence and nodded as they were talking, they would usually assume that I understood, not that I was clueless.

Und der Effekt des Vorschussvertrauens ließ nicht lange auf sich warten:

As a result, I was able to fake it till I made it, often landing jobs whose postings required skills I hadn’t yet learned but knew that I could pick up on the spot. Most of my interviews for research assistantships and summer internships were quite casual – I looked and sounded like I knew what I was doing, so people just gave me the chance to try. And after enough rounds of practice, I actually did start knowing what I was doing.

Als ich diesen Absatz gelesen hatte, war ich fassungslos. So war das also, wie es sich anfühlte, nicht immer gegen einen Strom aus negativen Erwartungen, Stereotypen, Vorurteilen ankämpfen zu müssen! So sah also die Spiegelwelt zum Stereotype Threat aus!

Ich kann kaum beschreiben, wie erschütternd es war, nach einem halben Leben festzustellen, dass das Gras auf der anderen Seite keinesfalls nur grüner aussieht, sondern es tatsächlich ist.

Was tun gegen den Stereotype Threat?

Wissenschaftliche Publikationen beschäftigen sich seit Jahren mit der Frage, wie man den Stereotype Threat schwächen kann. Die Ansatzpunkte reichen von dem simplen Reframing einer Situation als Lernmöglichkeit, über Selbstaffirmationen, bis hin zur einfachen Gleichheits-Behauptung und haben fast ausnahmslos eines gemeinsam: Sie funktionieren nur im experimentellen Rahmen und ändern nichts an der Realität, in der durch Stereotype benachteilgte Menschen leben müssen.

Eine Möglichkeit bleibt: Positive Vorbilder können ein Gegengewicht zu Stereotypen bilden, wie in der Wissenschaft seit längerem diskutiert wird. Das hilft zwar nicht, um allen gleichermaßen implizite Bestätigung zu sichern, zumindest nicht sofort. Aber es ist ein Anfang!

Representation matters!

Oder vielmehr: Es wäre ein Anfang! Denn die Gesellschaft, oder eher: die Inhaber*innen von Macht und Privilegien, sperren sich. Die fehlende Repräsentation von Frauen in den Medien ist ein bekannter Stein des Anstoßes. So zählt Anne Roth, scheinbar ganz profan, den Frauenanteil auf Kongressen, in Diskussionsrunden und anderen öffentlichen Veranstaltungen und stellt immer wieder fest, dass die Anzahl der geladenen Frauen seltenst bei den angestrebten 50% liegt.

Bei Film und Fernsehen muss man sich schon freuen, wenn Filme den Bechdel-Test schaffen, also zwei Frauen zeigen, die einen Namen haben, über etwas anderes sprechen als einen Mann. Doch es endet dort lange nicht. Betrachtet man auch noch die Rollen, die sie spielen, dann wird schnell klar: Hier wird Stereotypen nicht widersprochen, hier werden sie in Stein gemeißelt. Anita Sarkeesian untersucht in ihrer Reihe Tropes vs. Women die Frauenrollen der Popkultur und stößt dabei immer wieder auf krude, starre Frauenbilder.

Und die Repräsentation anderer marginalisierter Gruppen leidet ebenso.

Bei der Macht, die die Repräsentation über uns hat, sollten wir umso entschiedener für mehr Sichtbarkeit dieser Gruppen kämpfen. Ganz gleich, ob in Filmen, Videospielen oder, zur Not per Quote, in den Führungsetagen.

4 Antworten auf „Bedrohung durch Stereotype, oder: Warum Repräsentation so wichtig ist“

Hast du schon Delusions of Gender http://www.amazon.com/Delusions-Gender-Society-Neurosexism-Difference/dp/0393340244/ref=pd_sim_b_13?ie=UTF8&refRID=0RBCEJ0KZB66SMSPDC1T angesehen? da wird auf Studien hingewiesen in denen nachweislich ein unterschied sogar in Matheperformance stattfindet wenn zuvor negative stereotype (oder auch positive) stattgefunden hat.

Das Problem kann nicht unterschätzt werden
(soweit ich weiß ist das BUch auch übersetzt auf Deutsch, kenne aber den Titel nicht)

Liebe Grüße
Sonja

Hallo Sonja,

das Buch steht in meinem Regal, weitgehend jedoch noch ungelesen. Die Studien zu den Effekten des Stereotype Threat sind mir aber natürlich bekannt – ich promoviere derzeit zu dem Thema. ;-)
Mir war das alles schon bewusst. Ich war nur so profunde schockiert, weil ich nie die „andere Seite“, die nicht-diskriminierte Seite so plastisch gesehen habe wie in dem verlinkten Artikel von Philip Guos. Es ist eine Sache, Dinge mit dem Kopf zu wissen, und eine ganz andere, dieses Wissen mit der eigenen Lebensrealität, die nunmal per se einseitig ist, in Übereinstimmung zu bringen…

Viele Grüße,
TQ

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