Vor knapp eineinhalb Jahren erschien mit „Suffragete“ ein Film über den Kampf um das Frauenwahlrecht in Großbritannien. Ich sah den Film mit dem Großteil der weiblichen Belegschaft meines damaligen Arbeitgebers im Kino. Die Frauenvertreterin hatte am Frauen*kampftag eine kostenlose Sondervorführung organisiert. Als im Abspann eine Liste durchlief, welches Land wann das Frauenwahlrecht eingeführt hat, kam es an einer Stelle zu einem lauten Raunen: Die Schweiz.
Wie der britische Vorläufer erzählt „Die Göttliche Ordnung“ die Geschichte des Frauenwahlrechts in der Schweiz am Beispiel einer einzelnen Figur. Nora lebt mit ihrem Mann, den zwei Söhnen und dem Schwiegervater in einem kleinen Dorf im Appenzell. Es ist 1971, aber von den Auswirkungen der Hippie-Bewegung ist dort nichts angekommen. Nora ist eine allseits beliebte Hausfrau, die nach der eigenen Hausarbeit zum elterlichen Hof radelt, um ihrer Schwester und deren Mann zur Hand zu gehen.
Doch als Noras Mann Hans ihren Vorschlag halbtags wieder selbst arbeiten zu gehen, ablehnt und es ihr sogar verbietet, beginnt Nora ihr Leben und die gesellschaftliche Ordnung zu hinterfragen. Laut Gesetz entscheidet tatsächlich der Ehemann, ob die Ehefrau arbeiten darf oder nicht. Und über das Gesetz stimmen natürlich nur die Männer ab. Also engagiert sich Nora für die Einführung des Frauenwahlrechts. Schnell hat sie Verbündete gefunden und gemeinsam wollen sie mit einer Info-Kampagne ihren Teil beitragen. Doch natürlich bringen sie damit nicht nur viele Männer sondern auch konservative Kräfte gegen sich auf, wie die Kirche und priviligierte Frauen. Trotzdem geben Nora, ihre Schwester Theresa, die ehemalige Wirtshausbesitzerin Vroni und die neue Besitzerin Graziella nicht auf.
Anders als „Suffragette“ setzt „Die Göttliche Ordnung“ aber nicht auf Pathos und Sozial-Drama sondern eher auf Humor und wortgewandte Dialoge. Trotzdem ist der Film keine simple Komödie, sondern nimmt die Thematik ernst. Das zeigt bereits die Entstehung des Drehbuchs. Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe traf und interviewte bei ihren Recherchen mehrere Zeitzeuginnen des Kampfs für das Frauenstimmrecht. Außerdem begleitet die Historikerin Elisabeth Joris das Projekt während der Entwicklung.
Das schützt den Film dennoch nicht vor Schwächen. Bisweilen driftet er doch arg ins Klischee ab. Wenn Nora und ihre Mitstreiterinnen etwa an einem Hippie-Workshop zur Erkundung der eigene Vulva teilnehmen ist das durch die spiritualisierte Ästhetik eher lächerlich. Auch der Umgang mit dem latenten Rassismus in den eigenen Reihen ist zu lasch.
Vroni, die älteste der Frauen, lässt einige abfällige Bemerkungen gegenüber italienischen Menschen fallen. Denn das Wirtshaus, das sie einst betrieb und das aufgrund von Misswirtschaft ihres verstorbenen Ehemanns verkauft werden musste, gehört nun einem Italiener. Als Vroni jedoch feststellt, dass es eine ItalienerIN ist, Graziella, schwingt ihre Feindlichkeit plötzlich in Wohlgesinnung um. Das wird jedoch weder von Nora noch von Graziella selbst kritisiert oder thematisiert.
Eine Sache, die „Die Göttliche Ordnung“ positiv hervorhebt: Auch Depression, häusliche Gewalt und Toxische Maskulinität werden thematisiert. Noras Schwager Werner hat den Familienbauernhof übernommen. Die Arbeit als Landwirt bereitet ihm keine Freude und die Organisation des Hofalltags überfordert ihn von Tag zu Tag mehr. Doch auf Druck des herrischen Schwiegervaters, der einem sehr anachronistischen Weltbild anhängt, verwirft er die Pläne, den Hof zu verkaufen. Daraus erwächst eine gefährliche Depression. Dieser Thematik ausreichend Raum zu geben, obwohl es sich nur um eine Nebenfigur handelt, zeichnet den Film positiv aus. Die Geschichte um die rebellierende Tochter dagegen dient dem Film lediglich als Handlungswerkzeug, um Noras Schwester Theresa auf ihre Seite zu bringen.
Auch wenn wir das Frauenwahl- und Stimmrecht in Europa mittlerweile als selbstverständlich erachten, sind Filme wie „Die Göttliche Ordnung“ äußerst wichtig. Zum Einen zeigen sie bedeutende historische Meilensteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung und dass diese Fortschritte aktiv und oft gegen massiven Widerstand zu erkämpfen sind. Einige Kantone in der Schweiz führten das Frauenstimmrecht erst 1990 ein!
Zum Anderen entlarven diese Filme den immer noch tiefsitzenden Konservatismus. Die Schweiz ist laut einer Erhebung des Economist der viertschlechteste Ort für eine arbeitende Frau. Im Ständerat sind immer noch 85 Prozent Männer. Aber nicht nur in der Schweiz, in ganz Europa und weltweit gibt es in Gleichberechtigungsfragen noch viel zu tun. Geschichten wie „Die Göttliche Ordnung“ geben uns den Mut und die Kraft, weiter dafür zu kämpfen.
I sincerely hope I don't need to but I will be that old lady if I have to #WomensMarch pic.twitter.com/HvObagndMO
— Lauren Scott-Berry (@Lauren_Sberry) January 21, 2017
„Die Göttliche Ordnung“ startet am 3. August in den Kinos.