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Flirren & Rauschen

Vergebene Chancen: Enterprise

Habe ich mich etwa über Babylon 5 beschwert? Das war, bevor ich Star Trek Enterprise angefangen hatte. Eigentlich sollte mich das nicht überraschen, denn obwohl Star Trek stets das Bild einer besseren Gesellschaft zeichnen wollte, ließen die Frauendarstellungen immer wieder zu wünschen übrig. Mit Nichelle Nichols gab es zwar erstmals eine schwarze Frau in einer wichtigen Rolle, die dazu auch noch unglaublich stark war – das aber leider viel zu selten zeigen durfte. Auf Trekdom gibt es für Interessierte einen ausführlichen Text über Sexismus und Feminismus in TOS.

Die untere Hälfte eines Planeten, davor die Aufschrift - Star Trek - Enterprise

Schon in der ersten Episode von Enterprise geht es folgerichtig eigentlich nur… um Männer (s.a.The F-Word’s review). Aus der halbwegs diversen Crew am wichtigsten sind… zwei weiße Männer. Genau wie in der Originalserie ist die Kommunikationsoffizierin eigentlich total überflüssig. Selbst wenn es auf fremde Planeten geht, ist Hoshi Sato fast nie dabei, sondern Chefingenieur und All-American-Dreamboy Trip Tucker kommt mit. So fällt mir als wichtigste Folge ihres Charakters nur die Paralleluniverumsfolge ein (go emperess, go!).

Gerüchteweise war der Charakter Travis Mayweather erst als Lieutenant eingeplant, wurde dann aber zum Fähnrich degradiert, was mit seiner Hautfarbe vermutlich gaaar nichts zu tun hatte.

Der größte Brocken: T’Pol. Über sie habe ich mich echt geärgert. In ständig wechselnden, hautengen Anzügen, wenn der Rest der Crew normale Overalls trägt. Aber sie ist Vulkanierin, da ist ihr sowas doch egal oder es ist einfach die logische Wahl. Während alle anderen Vulkanier_innen wallende Gewänder tragen, bleibt sie selbst in der Wüste dem hautengen Look treu und verheddert sich dabei fast in ihrer weißen Schleppe. Bleh. In vielen Situationen, in denen sie mit jemandem zusammen eine Aufgabe erledigt, bleibt sie bei Fragen einfach stumm und ihr (eigentlich immer männlicher) Begleiter antwortet. Selbst wenn sie der ranghöhere Offizier ist, also eigentlich auch immer. Immerhin war geplant aufzuklären, warum sie eine besonders emotionale Vulkanierin ist (ihr Vater ist Romulaner).

Die Crew der Enterprise: Malcolm Reed, T'Pol, Travis Mayweather, Jonathan Archer, Hoshi Sato, Trip Tucker, Phlox

Überhaupt wirkt die Serie oft wie der Versuch, „teh sexy“ zurückzubringen. Leider sind die Sechziger vorbei und damit auch Kirks Häschen der Woche. Die vermeintlich sinnlichen Eincremeszenen in der Quarantäne(!) wirken aber eher wie langgezogene Auffüllszenen. Da es mittlerweile Star Trek XXX-Parodien gibt, hält sich der Bedarf an Star Trek-Softpornos wohl in Grenzen. Zieht man dann die Sexsklavinnen, die „verführerischen Orion-Frauen“ und die sexuell aggressiven Andorianerinnen ab, bleiben nicht mehr viele Alien-Frauen übrig, die im Verlauf der Serie eine Rolle gespielt haben.

Vielleicht die Sphärenbauer(_innen), denn deren höchster Rat besteht tatsächlich nur aus weiblich anmutenden Gestalten. Andererseits vermutet man bei Memory Alpha, die Charaktere sollten möglichst androgyn und damit fremdartiger wirken – ein „Trick“ der bei Star Trek schon öfters angewendet wurde. Wenn einmal nicht der Großteil oder sogar die gesamte Führungsriege eines Planeten aus Männern besteht, kann es sich nur um eine androgyne Spezies oder ein Matriarchat handeln. Im Xindi-Rat sitzt tatsächlich noch eine Frau, die Aquarianerin (das musste ich nachschlagen, ihre Rolle war eher gering und sie nicht sofort als Frau erkennbar).

Mit der vierten Staffel wurde es dann doch ein wenig besser – die Columbia bekam einen coolen weiblichen Kapitän, Erika Hernandez. Bei der Rettung der sabotierten Enterprise sind gleich drei der vier Brückenoffizier_innen weiblich. Hoshi Sato rettet (den Tränen nah) die Mars-Kolonie, ebenfalls umgeben von einer überdurchschnittlich weiblichen Brückenbesetzung und schließlich beweint Trip den Tod seiner Tochter in den Armen von T’Pol. Auch das Familiensystem der Denobulaner (jeder Mann heiratet drei Frauen, jede Frau drei Männer) klingt äußerst spannend, aber diesmal ging das Star Trek-Serienkonzept (nach den ersten beiden miesen Staffeln langsam besser werden) nicht auf. Wieviel Spielraum nach oben es noch gab, darüber lässt sich nur noch spekulieren.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Drop the thought.

9 Antworten auf „Vergebene Chancen: Enterprise“

Ist jetzt bisschen her, dass ich Enterprise gesehen habe. Die Quarantaene-Szenen fand ich da auch etwas daneben. Ich meine, das haette man auch inhaltlich nachvollziehbarer darstellen koennen und eben nicht nur um T’Pol in Unterwaesche zu zeigen (nicht dass sie nicht huebsch waer aber an der Stelle, insb. als Vulkanierin unpassend). Letztens hab ich wieder Voyager gesehen, und mich auch wiedermal ueber die unsaegliche Kleidung von 7of9 geaergert. Dagegen ist TPol ja noch ganz vernuenftig angezogen.

Hoshi darf ja immerhin noch ne kleine Hauptrolle spielen, wo sie die Codes von der Xindi-Superwaffe entschluesselt. Aber sonst geht’s in der Tat in erster Linie um Maenner, auch die Nebenrollen, wie Cmdr Shran, Degra, der Vulkanier-Ambassador oder der Admiral ka-wie-er-heisst sind nur Maenner. So weit in der Zukunft haette sich ja was aendern koennen.
Bei den Denobulanern fand ich noch interessant, an einer Stelle gibt der Arzt auch an, eine recht familiaere Beziehung zu den Ehemaennern seiner Frauen zu haben (wenn ich mich recht erinnere).

Zu Babylon5 kann ich (noch nicht :)) viel sagen, auffaellig, war lediglich, dass im Pilotfilm bei der Geiselnahme ganz zu Anfang der Typ „rein zufaellig“ eine Frau als Geisel nimmt. Und dann vom maennlichen Commander befreit wird, so das typische damsel in distress-Muster.

:D Was bringt denn „schau doch mal Star Trek XYZ“, wenn der Artikel doch nun mal zu Enterprise ist?

Ich sauge ja auch grad wieder DS9 auf, das ändert aber nichts daran, dass Enterprise so ziemlich das Letzte ist, was ich im gesamten ST-Universum je wieder freiwillig anschauen würde. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich sogar TOS noch erträglicher fände. Fast schon ungerecht, da ich Enterprise wirklich praktisch garnicht kenne. Aber auch nur fast, weil der Grund dafür ist, dass ich damals nach den zwei ersten Folgen wütend aufgehört und nie wieder zurückgeschaut hab‘. Insofern danke für den Artikel!

@mia und Janne: Keine Sorge, ich habe damals ALL the Star Trek Shows gesehen. Beim Alles-auf-einmal-schauen bin ich mit DS9 und TOS und TAS auch schon durch, aber nicht mit den Texten dazu. Der erste Teil zu DS9 ist auf meinem Blog schon erschienen: http://hanhaiwen.wordpress.com/2011/09/17/endlich-zeit-fuer-deep-space-nine/
(Ja, ich habe sogar die Animationsserie geschaut.)

@kiturak: Ja, die ersten Staffeln Enterprise sind leider… sehr männlich-weiß dominiert, während TOS tatsächlich öfters weibliche Charaktere auf den Außenmissionen zeigt. Die dritte fand ich inhaltlich schon besser und ab der vierten war es nicht mehr so furchtbar stereotyp – ich würde wirklich gerne wissen, wie es danach weitergegangen wäre, aber dafür ist es nun zu spät.

Enterprise stellt wirklich einen großen Rückschritt im Vergleich zu den anderen Star Trek Serien inklusive TOS dar, obwohl auch an Voyager und DS9 so einiges kritisiert werden kann (neben Sexismus etwa ethnisierende Projektionen und insbesondere bei DS9 Antisemitismus). Gerechtfertigt wird der Rückfall in ENT zum Teil damit, dass es sich um ein Prequel handelt, das zeitlich vor den anderen Serien angesiedelt ist. Ein Argument, das zu einem gewissen Grad an Mad Men erinnert und deshalb trotzdem nicht richtiger wird.

Was alle Star Trek Serien eint, ist das vollkommene Fehlen homosexueller Hauptfiguren. Homosexualität wird – wenn überhaupt – in Parabeln verhandelt. In TNG werden die Verhältnisse reichlich inkonsequent umgekehrt. Eine Gesellschaft, die die Kategorie Geschlecht nicht kennt, unterdrückt eine Minderheit, die sich nach zweigeschlechtlichen Beziehungen sehnt (siehe http://fernseherkaputt.blogspot.com/2012/04/star-trek-next-generation-outcast.html). Bei ENT gibt es diesbezüglich zwei interessante Handlungsstränge. Einmal dienen Emotionen befürwortende VulkanierInnen als Parabel auf Homosexualität und eine Krankheit, die häufig, aber nicht ausschließlich, in dieser Gruppe vorkommt Parabel auf HIV (siehe http://fernseherkaputt.blogspot.com/2012/05/enterprise-stigma-staffel-2-folge-14.html). In einer anderen Folge gibt es ein drittes Geschlecht, das unterdrückt wird (siehe http://en.memory-alpha.org/wiki/Cogenitor_(episode)). Besonders diese Folge ist bezeichnend. Denn statt sich für die Emanzipation des dritten Geschlechts einzusetzen, wird Nicht-Einmischung in Fremde Angelegenheiten vorgelebt. Quasi Kulturrelativismus im Weltraum.

Abschließend noch ein Hinweis auf zwei sehr lesenswerte Bücher und einen Buchbeitrag, die sich aus unterschiedlichen gesellschaftskritischen Perspektive mit Star Trek beschäftigen:

Andrea zur Nieden: GeBorgte Idenität. Star Trek als kulturindustrielle Selbstversicherung des technisierten Subjekts, ça ira 2003.

Alexandra Rainer: Monsterfrauen. Weiblichkeit im Hollywood-Sciencefictionfilm, Turia + Kant 2003.

Karin Lederer: „Hoffen? Sie halten doch die Hoffnung für einen menschlichen Fehler, Mr. Spock?“ – Dr. McCoy. Vom utopischen Anspruch in der Science Fiction. In: Zum aktuellen Stand des Immergleichen. Dialektik der Kulturindustrie – vom Tatort zur Matrix, Verbrecherverlag 2008.

Zur Nieden beschäftigt sich primär mit Biologismus und Gen-Determinismus im Star Trek Konzept und den Parallelen zwischen den Borg und der Föderation. Rainer beschäftigt sich u.a. mit den übermächtigen weiblichen GegnerInnen aus TOS. Sie hat sich außerdem die Mühe gemacht sexistische und rassistische Vorfälle in TOS systematisch zu dokumentieren und liefert diesbezüglich interessantes Material – sowohl in quantitativer als auch in Qualitativer Hinsicht. Lederer beschäftigt sich u.a. mit der Behauptung Star Trek würde utopische Verhältnisse darstellen.

@Fernseherkaputt: Das Argument, die Serie spiele vor TOS und deshalb wären Rückschritte ok, ist großer Quatsch. Roddenberry ging es explizit darum, POC und Frauen dabei zu haben, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Das hätte man ändern können und gleichzeitig auf den 60er Rassismus und Sexismus verzichten können, den die in TOS dargestellten Frauen und POC immer noch erleben mussten. Das ist so m(

@Helga
Was Enterprise betrifft, sehe ich das auch so. Allerdings bin ich mir, was Roddenberrys Motivation betrifft, nicht so sicher. Z.B. hatte er für Deanna Troi aus TNG diese Ideen:

„Gene Roddenberry intended her to have four breasts, before his wife told him this was a poor idea. Prior to filming, Sirtis was told to „lose five pounds“ (5 pounds (2.3 kg; 0.36 st)), but thought herself that she had to drop even more, and was often wearing plunging necklines and form-fitting dresses. After six years, the producers decided to drop the „sexy and brainless“ Troi and make her a stronger character“
(http://en.wikipedia.org/wiki/Deanna_Troi)

Der große Umschwung in Puncto Frauenfiguren kam eigentlich erst nach Roddenberry, als Jeri Taylor zur Star Trek Co-Produzentin aufstieg. Als Drehbuchautorin hat sie darüber hinaus einige der interessantesten Folgen zu TNG, DS9 und VOY beigesteuert (aufgelistet unter http://en.memory-alpha.org/wiki/Jeri_Taylor). Nach VOY ging sie in Pension, was man Enterprise sehr deutlich anmerkt.

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