Ein etwas verspäteter Konferenzbericht! Im Juni fand in Portland/Oregon die Open Source Bridge statt. Die Open Source Bridge ist eine große, queer*feministisch-communityorganisierte Open-Source-Konferenz. Das Themenspektrum ging weit über technische Talks hinaus. Die Stimmung war total freundlich und offen – eigentlich nichts weniger als die missing conference!
Kurz die Eckdaten: Die Konferenz existiert seit sieben Jahren, sie ging über vier Tage. Die ersten drei Tage wurden mit vorab eingereichten Vorträgen bespielt, der vierte Tag war ein Barcamp-Tag. Teilnehmende konnten morgens in der Sessionplanung Themen einbringen und dafür einen Raum bekommen. Es waren ein paar hundert Teilnehmende da, die sich auf je sechs (!) parallele Sessions verteilen oder in der Hackerlounge abgammeln konnten. Die Lounge war der zentrale Ort, zu dem man auch kam, ohne Eintritt zu bezahlen. Träger der Konferenz ist die gemeinnützige Organisation Stumptown Syndicate. Ihr Auftrag: „The mission of Stumptown Syndicate is to create resilient, radically inclusive tech and maker communities that empower positive change.“
Zwei Personen aus dem Orga-Team, Christie Köhler und Audrey Eschright, haben erzählt, wie es zu dieser großartigen Konferenz kam: Die alljährlich in Portland stattfindende Konferenz OSCON hatte angekündigt, woanders hinzuziehen. Daraufhin fanden sich diejenigen in Portland zusammen, die a) eine Open-Source-Konferenz in Portland haben wollten und b) eh schon dachten, sie würden da gerne noch ein paar andere Schwerpunkte legen als es auf einer „klassischen“ Techie-Konferenz meist geschieht. Mit Ihrer Konferenz haben sie einen bewundernswert angenehmen Raum für Teilnehmende mit ganz verschiedenen Hintergründen geschaffen. Dazu haben auch bestimmte Awareness-Strukturen beigetragen:
- Wer kam, verpflichtete sich auf den Code of Conduct. Es gab keine anderen Teilnahmebeschränkungen, etwa das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht oder Ähnliches.
- Es gab eine professionelle Kinderbetreuung. Wer darauf zurückgreifen wollte, musste rechtzeitig Bescheid sagen.
- Veganes Essen war der Standard (teils auch glutenfrei).
- Der Tagungsort war barrierefrei. An den Stellen, wo herumstehende Menschenansammlungen zu erwarten waren, wurden zusätzlich Bahnen auf den Boden geklebt, die frei gehalten werden sollten. Auch dort sollten alle, vor allem aber Menschen im Rollstuhl, sich gut bewegen können. (Das Freihalten hat eher so mittelmäßig gut funktioniert.)
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Es gab Toiletten für alle Geschlechter. Bemerkenswert: Das Gebäude, das das Orga-Team gewählt hatte, verfügte bereits über zwei offiziell beschriftete „All gender restrooms“. Über die Bebilderung mag man sich streiten, aber die Räume waren barrierefrei und hatten einen Wickeltisch mit drin. Die übrigen Toiletten waren beschildert mit Women/Men „or those who identify“, was dann von Teilnehmenden angepasst wurde zu „are those who identify“.
Die Konferenz wurde über Sponsoring und Ticketverkauf finanziert. Sponsor*innen unterstützten entweder die Veranstaltung allgemein, oder sie zahlten für einen speziellen Teil, etwa die Party. Aus dem Orga-Team heraus gab es auch noch eine kurzfristige Crowdfunding-Kampagne für die Glitzer- und Pony-Dekoration der Hackerlounge. Die Tickets kamen mir (gemessen an Community-Veranstaltungen in Deutschland) sehr teuer vor. Im Preis waren jedoch drei Mahlzeiten pro Tag, Getränke und sogar Bier und Cider auf der Party inbegriffen. Es gab zudem für Menschen, die den Betrag nicht aufbringen konnten, eine sehr gute Möglichkeit teilzunehmen: Man konnte sich online als Volunteer anmelden und sich dort auch gleich im Schichtplan eintragen. Der Deal: An den vier Veranstaltungstagen (plus dem Aufbautag vorher) half man insgesamt acht Stunden. Dafür bekam man ein Konferenzticket, ein satt-pinkes Helfer*innen-Shirt und das Dazugehören zu einer herzlichen Crew, die viel Anerkennung für das gemeinsame Machen und das Engagement aller Beteiligten zeigte.
Hat super viel Spaß gemacht und natürlich den Gedanken befeuert, so ein Event auch hier in der Nähe haben zu wollen!
2 Antworten auf „Open Source Bridge 2015“
Wow, was für ein spannendes Event. Schade, dass sowas so selten in der Nähe ist :(
Danke, Silke, für diesen inspirierenden Konferenz-Barcamp-Bericht, der gar nicht „verspätet“ rüberkommt ;-) Im Gegenteil, da du ihn auf die best practices fokussiert hast und dann auch noch so pragmatisch anschaulich, bekomme ich Lust, mir die abzugucken und Pläne zu schmieden für nächste Veranstaltungen…!
Und die Geschlechter-Einteilungs-Zeichen-Geschichte zeigt für mich: Wichtig ist, dass sie in Bewegung ist, diskutiert wird, mit ihr bewusst gespielt wird, dass sich situativ immer wieder neue Richtigkeiten finden.
Dorothea