Übermorgen startet das diesjährige Comicfestival Hamburg, welches bis zum 06. Oktober mit Lesungen, Diskussionen und Workshops aufwartet. An einer anderen Stelle hatte ich zum Thema Comics/ Graphic Novels vermerkt:
Erst mit der (reichlich späten) Entdeckung von Graphic Novels fing ich mich wieder an für das Genre zu begeistern. Und seit dem Lesen von Maus. A Survivor’s Tale von Art Spiegelman war ich fasziniert von den erzählerischen Möglichkeiten, die sich aus der Kombination von Zeichnungen und Text ergeben. Vor allem aber fand ich in Graphic Novels großartige Künstlerinnen, die Geschichten über Frauen erzählen.
Und auch wenn im Programm leider durchgehend von „Autoren“, „Zeichnern“ und „Helden“ die Rede ist, stehen dieses Jahr vor allem die Autorinnen Rutu Modan, Geneviève Castrée und Peggy Adam mit ihren aktuellen Werken im Mittelpunkt:
Rutu Modan – „Das Erbe“
Rutu Modan hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht und zeichnete für die New York Times. Im Jahr 1995 gründete sie gemeinsam mit anderen israelischen Comic-Künstler_innen und Illustrator_innen die Gruppe „Actus Tragicus„, um in gemeinsamen Büchern mehr Reichweite zu generieren. Modans Schaffen wurde beispielsweise 2008 mit dem prestigeträchtigen Eisner Award gewürdigt. „Das Erbe“ ist nach „Blutspuren“ (2008) das zweite Werk, welches ins Deutsche übersetzt wurde.
In der Graphic Novel geht es um Mika, die ihre Großmutter auf eine Reise wegen eines (angeblichen) Erbes von Israel nach Polen begleitet. Die Geschichte thematisiert die Shoah und ihre Folgen, die familiären Auseinandersetzungen. Eine ausführliche Besprechung des Buchs gibt es bei different needs. Über die Entstehungshintergründe des Buchs und die Motivation von Rutu Modan gibt es mehr in einem Interview mit dem Missy Magazine zu erfahren.
Peggy Adam – „Luchadoras“
Peggy Adam ist eine französische Illustratorin und Comiczeichnerin. Ihr bekanntestes Buch „Luchadoras“ erschien bereits 2006, aber ist erst seit diesem Jahr in einer deutschen Übersetzung erhältlich.
In „Luchadoras“ fokussiert sich Adam auf die Geschichte einer Protagonistin, Alma, in Ciudad Juárez, einer mexikanischen Grenzstadt, die für die unglaublich hohe Mordrate an Frauen und Fälle sexualiserter Gewalt internationale Bekanntheit erlangte. Als Alma den Touristen Jean trifft, sieht sie in ihm und der entstehenden Beziehung, auch eine Möglichkeit der gewaltvollen Beziehung zu ihrem Verlobten zu entkommen. Auf gerade einmal 91 Seiten wird das angstvolle Klima eindrücklich dargestellt und kontrastriert mit einer beeindruckenden Hauptfigur, die auch nicht immer sympatisch ist. Manchmal aber scheint dann doch die Konstruktion zu stereotypisch und vorhersehbar.
Schade ist auch, dass dieses Thema, welches merhfach in der us-amerikanischen und europäischen Popkultur aufgearbeitet wurde (vom Film „Bordertown“ mit Jennifer Lopez bishin zu einem Song von Tori Amos), wieder von einer Person aufegriffen wird, die – jedenfalls bis nach der Fertigstellung des Buchs – noch nicht einmal je in Mexiko gewesen ist.
Geneviève Castrée – „Ausgeliefert“
Geneviève Castrée, kanadische Musikerin und Zeichnerin, erzählt eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Goglu, die Protagonistin, kämpft sich in dem Buch irgendwie durch ihre Kindheits- und Jugendjahre, in die u.a. auch die Morde an den Studentinnen der technischen Hochschule in Montréal fallen. Ihre Mutter hat sie jung bekommen, der Vater ist häufiger ab- als anwesend im Leben von Goglu und stattdessen ist da der neue Partner der Mutter, der ihr vor allem Desinteresse oder gar Hass entgegenbringt. Aus der Sicht von Goglu werden deren Gefühle, Erfahrungswelten und Wünsche dargestellt. Es geht dabei um Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depressionen und Esstörungen – aber dann doch vor allem auch um einen Abnabelungsprozess. Und gerade dieser ist in poetischen Bildern dargestellt, die dafür sorgen, dass die Geschichte nicht nur eine Abfolge von Klischees ist, wie so eine Kurzzusammenfassung es erahnen lassen könnte.
Das Buch erscheint zum Comicfestival auf deutsch.
Diese Text erschien auch bei der Mädchenmannschaft.
Eine Antwort auf „Comicfestival in Hamburg“
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