Immer mehr geekige Konferenzen veröffentlichen derzeit klare Statements gegen Belästigung. Hierbei stehen nicht selten Geekfeminist_innen wie die Autor_innen von geekfeminism.org und die Mitglieder der Ada Initiative beratend zur Seite. Sie haben einen Überblick über bisher bekannt gewordene Fälle von Belästigung und wissen über Notwendigkeit und den Nutzen einer Anti-Harassment-Policy Bescheid. Auch wir bei Femgeeks begrüßen die Entwicklung, dass das Thema endlich die notwendige Aufmerksamkeit erfährt und wollen uns zukünftig auch selbst mit dieser Thematik (dem Aussprechen von Richtlinien durch Veranstalter_innen und der Beurteilung des Nutzens und der Qualität der Durchsetzung) beschäftigen.
Im Geekfeminism-Wiki befindet sich bereits eine englischsprachige Vorlage dafür, wie eine solche Policy aussehen könnte. Dort befindet sich auch nach wie vor eine Timeline of Incidents, die sich nicht nur auf Konferenzen beschränkt (Triggerwarnung!). Nach und nach erreichen uns Informationen über den geplanten Umgang mit Belästigungen diesjähriger Veranstaltungen. In einem Artikel über die DEFCON (Triggerwarnung: Beschreibungen von Belästigungsvorfällen!) – DEFCON ist eine der größten Hacker- (und Haecksen-) Veranstaltungen weltweit – wird eindrücklich beschrieben, warum Belästigung auf Konferenzen eine Rolle spielt. Die Ada Initiative rief im Zuge dessen Veranstaltungen dieser Art dazu auf, die erste zu sein, die eine spezifische, durchsetzbare und gut geplante Richtlinie formuliert, um Frauen vor Belästigung zu schützen.
Diesem Ruf sind bereits einige Veranstaltungen gefolgt und somit hatte bereits fünf Tage nach dem Erscheinen des Artikels die BruCON in Belgien eine solche Policy mit Hilfe der Vorlage formuliert. Auch weitere Konferenzen gaben die Einführung einer solchen Policy bekannt. Selbiges plant beispielsweise auch der Chaos Communication Congress, der dieses Jahr in Hamburg stattfinden wird. Dort gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Vorfälle von Sexismus, die auch bekannt wurden und durch das Personal oft nicht ausreichend beachtet wurden.
Die DeepSec-Konferenz in Wien hat es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht, eine Anti-Harassment-Policy zu formulieren. Diese ist hier zu finden. Ich habe die Gelegenheit genutzt und ein kleines Interview mit Manuela, Ansprechpartnerin der DeepSec, geführt.
1. Worum geht es bei der DeepSec und wer sind die Teilnehmer_innen?
Die DeepSec ist eine internationale IT-Security Konferenz, die dieses Jahr das 6. mal in Wien stattfindet. Wir haben versucht, ein Bindeglied herzustellen, zwischen reinen Business-Events und reinen Community-Events, was uns unserer Meinung nach recht gut gelungen ist. Es soll kein Suits-Only-Zwang herrschen und sowohl Manager, Behördenvertreter, Forscher als auch „Hacker“ sollen sich wohl fühlen und ihre Erfahrungen, die durch die teils doch sehr unterschiedlichen Backgrounds sehr variieren, austauschen. Auch bei unseren Vortragenden achten wir darauf, dass eine möglichst gute Mischung entsteht, die als gemeinsames Standbein ihre Leidenschaft für IT-Security haben. Außerdem geht es uns darum, die sicherheitsrelevanten Themen nicht nur an der Oberfläche anzukratzen, wie es viele andere Konferenzen und Messen machen, sondern in die Tiefe zu gehen. Darauf achten wir auch bei unseren Sponsoren, die die Möglichkeit bekommen, mit offenen Karten zu spielen und zu zeigen, dass ihnen Sicherheit ein richtiges Anliegen ist.
2. Welche Rolle(n) nimmst du bei der Organisation der DeepSec ein und welchen Background bringst du dafür mit?
Ich bin primäre Ansprechpartnerin für die Vortragenden, was ihre Reisepläne und Buchung im Hotel angeht. Außerdem organisiere ich unser Speaker’s-Dinner, die freiwilligen Helfer, die wir jedes Jahr als Unterstützung anheuern und die Anmeldeprozeduren bei Konferenzbeginn bzw. den Registration-Desk. Und noch nebenbei Sachen wie Badges, letzte Abnahmen mit dem Hotel und Teilnehmer, die Hilfe brauchen, was man denn in Wien so treibt, wenn sie da sind. Im Großen und Ganzen bin ich das Glied im Orga-Team, das sich nicht von technischen Spielzeugen ablenken lässt, sondern einen Überblick bewahrt und überall einspringt, wo was getan werden muss. Als Background habe ich nichts speziell Event- oder IT-lastiges mitzubringen. Ich bin gelernte Buchhändlerin und habe 8 Jahre im Verkauf und in der Verwaltung in Buchläden gearbeitet. Da bekommt man viel Gefühl für Menschen mit und nachdem ich ein Mensch bin, der anpackt, wo was fehlt, habe ich auch dort schon immer mitorganisiert.
3. Wie würdest du das Umfeld und die Atmosphäre auf der DeepSec beschreiben?
Ich kann von mir sagen, dass ich mich auf der DeepSec immer sehr wohl fühle. Die Teilnehmer und Vortragenden sind entspannt und freundlich und es wird beim Mittagessen gescherzt, sodass sich im Laufe der Jahre immer mehr Anekdoten angesammelt haben, worüber wir lachen und schmunzeln (sollten wir vielleicht mal aufschreiben…). Außerdem findet das Ganze in einem wunderschönen 4-Sterne Hotel nahe der Wiener Innenstadt hat, das einfach einen ganz besonderen Flair hat. Und es ist jedes Jahr wieder sehr amüsant mit zerrissenen Strümpfen und DocMartens durch die Lobby zu stapfen und trotzdem dazu zugehören. Klar gibt’s schiefe Blicke, aber wir haben noch nicht gehört, dass einer unserer Vortragenden oder Teilnehmer Probleme hatte, weil die Jeans runtergetreten und das Geekshirt ausgewaschen war. Ganz im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass alle Beteiligten es genießen, dass sie keine Rollen erfüllen müssen, sondern sie selbst sein können, wenn sie niemand anderen damit einschränken, und das merkt man.
4. Wie kam es dazu, dass ihr in diesem Jahr zum ersten Mal eine Anti-Harassment-Policy veröffentlicht? Gab es Beschwerden/Vorfälle? Gibt es Vorbilder?
Wie wir da dazugekommen sind? Die meisten Events haben wahrscheinlich eine Anti-Harassment-Policy, weil sie schon Probleme hatten und darauf reagieren mussten. Wir sind da durch positives Feedback dazugekommen. Die Freundin einer unserer Vortragenden hat uns als positives Beispiel gegenüber anderen Events genannt, weil sie sich bei ihrem Besuch wohl und gefühlt hat und das als Grund sah, uns bei der Ada-Initiative zu erwähnen. Hier ist der Blog-Eintrag dazu. Dadurch sind wir auf die Initiative gestoßen und haben eigentlich sofort beschlossen, dass wir eine Anti-Harassment-Policy haben wollen, weil man nicht immer warten muss, bis was passiert ist, um zu handeln. Wir haben zusammen mit Val von der Ada-Initiative und anderen deren Template für die Policy umgeschrieben und auch schon für andere Konferenzen zur Verfügung gestellt. Wir haben sie, weil wir noch nie Probleme hatten und wir uns klar dafür aussprechen wollen, dass es uns am Herzen liegt, dass es so bleibt und wenn welche auftauchen, man zu uns kommen kann und sicher nicht belächelt wird, sondern wir ernsthaft versuchen herauszufinden, was passiert ist und im Zweifelsfall Konsequenzen ziehen.
5. Hast du einen Überblick über den Anteil weiblicher Speaker und über die Anzahl der Besucherinnen auf der DeepSec? Hat sich das im Laufe der Zeit verändert?
Ich habe das Gefühl, dass der Anteil der weiblichen Speaker und Teilnehmerinnen an der DeepSec langsam aber sicher steigt. Es sind immer noch wenige, aber allein bei den Einsendungen für unsere Vorträge haben wir die Erfahrung gemacht, dass zwar wenige von Frauen kommen, aber die sind dafür qualitativ so hochwertig, dass wir kaum überlegen müssen, ob wir sie einladen. Bei den Teilnehmern waren einige unserer ersten Ticketbuchungen für Frauen und wir hoffen, dass der Trend anhält.