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Was mach ich hier eigentlich? Gedanken zum Impostor Syndrome

Ich wollte diesen Artikel schon lange schreiben, hatte aber immer das Gefühl, dass ich nicht genug darüber weiß.

Hattest du schon mal das Gefühl, dass du etwas gerne machen würdest, aber du bestimmt nicht gut genug dafür bist, obwohl du mit der Thematik schon eine ganze Weile vertraut bist? Wurdest du schon einmal gefragt ob du einen Vortrag halten willst (bei einem Projekt mitarbeiten willst, was programmieren willst, … you name it), hast aber aus dem gleichen Grund abgelehnt? Wenn dich das beschäftigt, dann hast du vielleicht auch schon mal vom Impostor Syndrome gehört und kannst dich darin vielleicht auch wiederfinden.

Impostor Syndrome bezeichnet eine Situation in der sich eine Person wie ein_e Betrüger_in fühlt, da sie denkt, dass ihre Leistungen und Fähigkeiten bei weitem nicht so gut sind, wie die der Personen um sie herum. Für gewöhnlich sind ihre Leistungen aber (mindestens) genau so gut und die Person hat unrealistisch hohe Anforderungen an sich selbst, nicht aber an andere. Dies tritt besonders dann in Erscheinung, wenn die eigene Arbeit konstant von anderen begutachtet wird, zum Beispiel in der Open Source Entwicklung oder im akademischen Bereich.

Oftmals kommt diese Einschätzung der eigenen Fähigkeiten mit dem Gefühl, dass irgendwann alle herausfinden werden, wie unfähig man wirklich ist. Obwohl die damit verbundenen Gedanken und Gefühle prinzipiell jede_n das ein oder andere Mal überkommen können, kommt das Impostor Syndrome häufig bei Frauen vor. Es spielt vor allem in Bereichen wo Frauen eine Minderheit darstellen eine Rolle und ist daran beteiligt, dass sie sich weniger oft einbringen. Ich nehme an, dass dies auch für andere Minderheiten zutrifft. Wenn sich betroffene Personen einbringen, ist dies oft mit höherem Stress verbunden und im schlimmsten Fall können die Selbstzweifel in Kombination mit anderen Faktoren (z.B. Belästigung, Diskriminierung) Anlass dazu geben die Umgebung zu verlassen.

Ja, das kommt mir bekannt vor – Aber was nun?

Es gibt leider kein Rezept wie sich diese Gedanken und Gefühle abschalten lassen, aber in Vergangenheit haben sich bereits einige mit der Thematik auseinandergesetzt.

  • Wahrnehmen ist der erste Schritt. Denn nur wenn mir bewusst ist, was sich da in meinem Kopf (und nur in meinem Kopf!) abspielt, dann kann ich darüber nachdenken ob das wirklich wahr und sinnvoll ist.
  • Darüber sprechen kann helfen ein Bewusstsein für das Ausmaß der Problematik zu schaffen und andere Menschen zu finden denen es ähnlich geht.
  • Wenn du über dich sprichst oder schreibst achte darauf ob du deine Erfolge kleinredest oder dich gar selbst hin und wieder herabsetzt und beleidigst oder dich bei anderen für dich entschuldigst. Es könnte hilfreich sein, zunächst daran zu arbeiten.
  • Falls du ein solches Verhalten bei anderen beobachtest könnte es hilfreich sein, sie auf ihre Erfolge aufmerksam zu machen, sie zu ermutigen (nicht drängen!) und sie zu empfehlen wenn du davon überzeugt bist, dass sie für etwas geeignet sind. Falls du kein Problem damit hast dich selbst zu loben, kannst du beispielsweise auch anbieten bei Bewerbungen zu helfen.
  • Herausforderungen annehmen mit dem Bewusstsein, dass es immer eine Person gibt die besser ist als du selbst kann dich unter Umständen motivieren. Hierbei ist es notwendig den eigenen Umgang mit Fehlern und der Möglichkeit zu Scheitern zu überprüfen und Erfolge anzunehmen und zu feiern.
  • Fake it ‚till you make it ist ein Satz der in diesem Zusammenhang oft fällt. Zum einen ist es für den Lernprozess vermutlich förderlich Aufgaben wahrzunehmen die nicht von Anfang an dem eigenen Fähigkeitenlevel entsprechen, jedoch ist es fraglich ob diese Haltung mit Selbstzweifeln gut kombinierbar ist.
  • Eine aktive Übung wurde von Leigh Honeywell entworfen. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass eine 15-minütige Schreibübung vor einer Klausur helfen kann, die Leistungsnachteile die durch Stereotype Threat entstehen auszugleichen. Ich habe diese Übung ins Deutsche übersetzt und ihr könnt sie hier sehen.

Für mich persönlich ist nach ausgiebiger Beschäftigung mit der Thematik insbesondere noch das Problem offen, dass das Impostor Syndrome oder Selbstzweifel im Allgemeinen durch Sexismus und andere *ismen unglaublich befeuert werden. Wenn dir Menschen bereits mit der expliziten oder impliziten Haltung begegnen, dass du weniger kannst oder weniger wert bist, dann ist weitaus mehr Arbeit notwendig um motiviert zu bleiben und die eigene Arbeit auf Dauer zu schätzen. Zum Beispiel wird bereits mit kleinen Fehlern unterschiedlich (unfair) umgegangen, wenn eine Person gleich eine ganze Gruppe repräsentiert.

Klassiker:

Habt ihr noch Ergänzungen zum Thema? Möchtet ihr Erfahrungen teilen? Kommentare sind willkommen.

Zum Weiterlesen/hören/schauen/üben (Englisch):

Impostor Syndrome im Geek Feminism Wiki

Impostor Syndrome Training & Video von der Ada Initiative

Ruby Rogues Podcast Folge zum Thema

Eine Übung von Leigh Honeywell auf GitHub

Von Melanie

Melanie macht irgendwas mit Computern und hat Femgeeks gegründet.

6 Antworten auf „Was mach ich hier eigentlich? Gedanken zum Impostor Syndrome“

Das Problem kenne ich – aber subjektiv nicht unbedingt *istisch, atm müsste ich eigtl mal das Thema Jobsuche angehen, auf die Frage was ich die letzten Jahre so gemacht habe, lautet meine Bauchantwort aber „mich so durch gewurstet“
Bei den Eigenansprüchen ist es oft so dass ich darauf warte es möge mal einer kommen „lain! du kannst ja gar kein java!“ und ich sagen kann „omg, endlich hat es jmd gemerkt“
Gleichzeitig weiss der Kopf dass das Unfug ist, kein Umkreis der Kompetenz erwartet akzeptiert Dich so lange wenn Du echt nichts drauf hast.
Die Transferleistung dies jedoch in selbstgefühlte Kompetenz zu packen, passiert bei mir nur ab und an mal unbewusst und am ehesten wenn ich sauer bin weil mir jmd Kompetenz absprechen will und ich die Meinung dieser Person jedoch nicht ernst nehmen kann.
Da wäre ein „goldener Weg“ echt mal Gold wert, ein gangbares Gegenmittel kann ich nämlich leider nicht liefern, nur mit fühlen / leiden :(

Ich finde es beim Programmieren noch einmal schwerer, überhaupt einzuschätzen wo man gerade steht. Es gibt einfach keinen Punkt den man erreichen kann und sagen „ja, jetzt hab ich’s kapiert, jetzt kann ich alles“ weil Problemstellungen immer wieder neu und individuell sind und Software ist noch dazu niemals fertig.

Das mit dem sauer sein kenne ich interessanterweise auch. Also es kann durchaus passieren, dass ich sage „oh nein bin ich doof“ und einen halben Tag später kommt einer mit einer ähnlichen Anschuldigung und da merke ich plötzlich wie falsch das ist und schaffe es mir meiner Kompetenz bewusst zu werden, hält aber nicht ewig an. :(

Das Imposter Syndrom kommt bei Frauen genau so oft wie bei Männern vor. Es ist sehr schade, wie sie das hier darstellen und dadurch verzerren. Ein eigentlich guter Artikel, welcher dadurch einen faden Beigeschmack bekommt.

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