Als Hintergrund für den geplanten Film „Fantastic Beasts and where to find them“ hat J.K. Rowling vier neue Kapitel über die Geschichte der Potterwelt veröffentlicht. Diese spielen in Nordamerika. Ich muss ja zugeben, dass ich erstmal sehr begeistert war – die Potter-Bücher haben schließlich meine Kindheit und Pubertät nachhaltig mitgestaltet.
Im ersten Kapitel geht es ums 14. bis 17. Jahrhundert und daher vor allem um First Nations. Es ist ziemlich kurz, ihr könnt es hier lesen.
Und dort beginnt das Problem: J.K. Rowling, die als weiße Europäerin offensichtlich keine Verbindung zu den Native Communities hat, beschreibt das, was sie für die First-Nation-Kultur hält und bezieht sich dabei höchstens auf eurozentristische problematische Klischees. Da ich selbst weiß bin und daher schwer über Cultural Appropriation urteilen kann, beziehe ich mich hier vor allem auf den Blog Native Appropriations. Der Begriff „Cultural Appropriation“ wird hier sehr gut erklärt.
Rowling spricht über die so genannten skin walkers („an evil witch or wizard that can transform into an animal at will“) und erklärt, dass das eigentlich nur Animagi seien. Damit übernimmt sie ein essenzielles Konzept von Navajos und macht es zu einem Teil ihrer phantastischen Welt und begründet dies mit einer Idee, die sie für ihre Geschichte erfunden hat. Die skin walker nehmen aber einen wichtigen Platz in der Kultur ein und sind nichts, was sich europäische Autor_innen zu eigen machen dürfen.
Die Erwähnung führt außerdem dazu, dass First Nations plötzlich mit Fragen über das Konzept der skin walker überhäuft werden, das einfach nicht von Weißen diskutiert gehört.
Als nächstes beschreibt Rowling, dass First Nations keine Zauberstäbe benutzt haben, sondern dass diese eine Erfindung der europäischen Zaubergemeinschaft sind. Mit Zauberstäben sei es allerdings möglich gewesen, genauere und stärkere Magie zu erzielen. Damit reproduziert sie die kolonialistische Idee, dass europäische „Technologie“ Menschen in anderen Teilen der Welt weitergebracht hätte. In den weiteren Kapiteln bildet sich in Nordamerika ein „Magical Congress of the United States of America“ (MACUSA), das die Ausgabe von Zauberstäben reguliert.
Auf einen Tweet von Adrienne Keene (die auch den oben genannte Blog führt) in dem sie Rowling darauf hinweist, dass First Nations keine erfundene Welt sind, sondern Realität, kam keine Antwort. Auch sonst hat sie sich bisher nicht zu der Kritik geäußert, obwohl sie ja eigentlich dafür bekannt ist, auf Fragen und Bemängelungen von Fans einzugehen.
Die Reihe hätte eine spannende Kritik an kolonialen Strukturen werden können oder zumindest das Potential gehabt, die Geschichte der Potterwelt mit realen historischen Ereigenissen abzugleichen. Was hier aber passiert ist, ist ein Paradebeispiel für Cultural Appropriation und unreflektierte Europäer_innen.
Manchmal ist es wohl besser, fertige Geschichten ruhen zu lassen. Die Potterwelt ist abgeschlossen. Sie war wundervoll – aber es reicht.
Eine Antwort auf „Harry Potter and Cultural Appropriation“
Das ist doch nix neues. Auch in den 7 Bänden bezieht sich Rowling auf außereuropäische Religion, z. B. auf antike ägyptische. Eurozentristisch wäre es gewesen die Zauberwelt in Harry Potter auf europäische Religion und Geschichte, Christentum und Heidentum zu beschränken. Das Aufgreifen und das Einbinden amerikanischer native – Religion ist eine rücksichtsvolle Möglichkeit für Amerikaner*innen die sich als native identifizieren ihre Identität in die Harry Potter – Welt zu transportieren, denen das bisher aufgrund des europäischen Schwerpunkts schwer fallen musste. Dieser Cultural Appropriation – Reflex fußt hier wieder mal auf diesem hochproblematischen Essentialismus, der sich mit der Critical Whiteness im feministischen Diskurs breit macht und ideologisch auf das ethnokitschige und exotisierende Aufgreifen von Trikont-Nationalismus zurück geht.