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Kommentar zum Leitfaden fürs sichere Bloggen

Ein Leitfaden zum Bloggen der sich an Frauen richtet macht derzeit die Runde. Falls er euch noch nicht begegnet sein sollte, findet ihr ihn hier in deutscher und englischer Sprache. Stine Eckert hat für ihre Studie 109 Frauen in Deutschland, der Schweiz, den USA und Großbritannien zu ihren Erfahrungen mit dem Bloggen befragt. Neben positiven Erlebnissen berichteten die Teilnehmerinnen auch über negative Ereignisse, was die Autorin dazu bewegte eine Anleitung zum sicheren Bloggen zu schreiben.

Sicheres Bloggen. Mir persönlich fallen dazu einige Dinge ein, zum Beispiel wie ich vor einigen Jahren fröhlich vor mich hin gebloggt habe und mich über Austausch und Erweiterung meines Wissens und Netzwerks gefreut habe. Und wie das irgendwann kippte, als ich über ein bestimmtes Thema bloggte, das bestimmte Leute aufgeregt hat. Von da an war für mich nichts mehr so wie es war. Hätte ein Leitfaden dabei helfen können? Jein.

Eine Frage die ich mir gestellt habe – ohne der Autorin in ihren sicherlich guten Absichten zu nahe zu treten: Wenn die Meinung einer Frau der Minirock des Internets ist (Laurie Penny), was ist dann ein Leitfaden zum sicheren Bloggen? Vielleicht habt ihr schon einmal den Begriff Victim Blaming im Zusammenhang mit Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt gehört. Oft äußert sich das in Aussagen wie „Hättest du x nicht gemacht, wäre dir y nicht passiert“. Die Ansicht, dass eine betroffene Person für das was ihr geschieht in irgendeiner Form mit verantwortlich ist. Es ist für mich erschreckend, wie sehr sich Tipps im Leitfaden in solchen Ratschlägen ähnelt, obwohl er an der ein oder anderen Stelle auch durchblicken lässt, dass darauf geachtet wurde nicht in diese Richtung zu driften. Vermieden werden konnte es nicht. Das ein oder andere Statement hätte daher für mich, wenn ich heute anfangen würde zu bloggen, eine abschreckende Wirkung.

Dennoch kann der Leitfaden auch ein Startpunkt sein für Blogger_innen (also unabhängig vom Label „Frau„), die sich erstmals im Chaos der (feministischen) „Blogosphäre“ zurechtfinden wollen. Überraschende Angriffe und Hass können eine trotz der virtuellen Eigenschaften des Kontaktes überwältigen. Es ist wichtig über solche Erfahrungen zu sprechen und es ist noch wichtiger, sie nicht als normal abzustempeln (Don’t feed the trolls und sowas). Es wäre wünschenswert, dass sich freies Bloggen und die Vermeidung von Gewalt und Demütigung vereinbaren ließen. Und es wäre darüber hinaus wünschenswert, dass es nicht die Aufgabe der Betroffenen ist, dafür zu sorgen.

Das ist nur (m)eine Ansicht und es gibt vermutlich noch sehr viel mehr zu sagen. Solltet ihr weitere kritische und auch gerne lobende Beiträge zu diesem Projekt finden, könnt ihr sie in den Kommentaren verlinken.

Von Melanie

Melanie macht irgendwas mit Computern und hat Femgeeks gegründet.

8 Antworten auf „Kommentar zum Leitfaden fürs sichere Bloggen“

Danke Melanie für den Beitrag. Ich habe am Wochenende ebenfalls über diesen Leitfaden nachgedacht. Auf die Veröffentlichung aufmerksam geworden bin ich durch einen Backlink zu meinem persönlichen Blog. Mein Blogeintrag ‚damals‘, der dort angegeben wird, war eine ‚öffentliche Antwort‘ auf einen Typen der mich im Internet quasi verfolgt hatte und immer wieder mit langen Emails etc. belästigt hat.

Ich war also positiv überrascht, dass diese Beitrag verlinkt wurde – da ich dort ja genau das mache, wovon so gern gewarnt wird: I feed the troll. Ich finde es gut, dass durchaus in dem Leitfaden unterschiedliche Umgangsstrategien benannt und anerkannt werden. Aber. Aber leider ist mein Gesamteindruck dann doch bei dir. Besonders zuckte ich bei Stellen wie der folgenden zusammen:

Sei Dir bewusst, dass die Verwendung der Worte „Feminismus” oder „Feministin” auf Deinem Blog oder Deiner Webseite es wahrscheinlicher macht, dass Du zur Zielscheibe von MaskulinistInnen wirst, die nach solchen Begriffen (per Suchmaschine) suchen. Das heisst natürlich nicht, dass Du diese Worte nicht verwenden kannst oder sollst. Dein Blog ist Dein Blog; Du machst dort was DU möchtest. Das ist klar.

Es wird zwar total betont, dass du machen kannst, was du willst, aber trotzdem suggeriert, dass du bei bestimmten Entscheidungen schon auch mit dazu beiträgst zur Zielscheibe zu werden… (Und dann finde ich diesen Fokus auf Maskus auch nicht unproblematisch…) Allgemein hätte ich mir mehr kritische Einordnungen gewünscht und präzisiere Kritiken. Die Frage, die vll bleibt, kann es sowas wie einen Leitfaden für ’sicheres Bloggen‘ überhaupt geben? Was soll eigentlich diese Sicherheit sein? Für wen? Und was bedeutet es diese Sicherheit herzustellen?

Erst einmal klingt der Begriff ‚Leitfaden‘ schon komisch und auch ich habe direkt an Victim blaming denken müssen, aber es muss wohl auch zwischen hilfreichen Tipps, die die persönliche Entscheidungsfreiheit nicht einschränken, und Tipps, die einer Bevormundung gleichkommen, unterschieden werden. Ein Leitfaden, der mir als Frau nur sagt, dass ich z. B. niemals über Sex bloggen sollte, wenn auch Männer das Blog lesen könnten, ist natürlich für die Tonne.

Hm, ich frag mich auch, inwiefern die reine Info über diese Zusammenhänge direkt gleichzusetzen ist mit „Victim Blaming“. Angenommen jemand liefert mir z.B. Zahlen darüber, dass es wahrscheinlicher ist, sexuell belästigt oder vergewaltigt zu werden, wenn ich einen Minirock trage, als wenn ich eine Hose trage, dann ist das erstmal nur eine neutrale Information. ICH ziehe daraus nicht den Schluss, dass es meine Schuld / Verantwortung ist, das zu verhindern, sondern dass die Täter*innen primitive Arschlöcher sind. Ich bin einfach nur informiert bzw. vorgewarnt.

Es ist sicher nicht verkehrt über die Realität informiert zu sein, so auch im Internet. Auf Anfeindungen und massive Angriffe gefasst zu sein, ist vielleicht besser, als ihnen unvorbereitet ausgesetzt zu werden.

Leider kann das schon den Nebeneffekt haben, dass eins sich entscheidet etwas nicht zu tun – aus Angst vor den möglichen Folgen. Und auf den Unterton der Informationen kommt es dann natürlich auch an, idealerweise ist er nicht vorhanden. Den Begriff „Leitfaden“ finde ich in dem Zusammenhang dann in jedem Fall falsch. Das appelliert an die Leserin ihr Verhalten daran auszurichten und überträgt ihr damit die Verantwortung für die (Verhinderung ungewünschter) Folgen. Sinnvoller wäre eine Faktensammlung, eine Zusammenfassung dessen, was da draußen im bösen weiten Internet passiert. Information, damit jede ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen kann.

Leitfäden bräuchten dann wohl eher diejenigen, die auf der anderen Seite stehen.

Der „Leitfaden“ mit der Information *Die Polizei* und Anzeigen ist irreal!

Beleidigungen und Morddrohungen sind keine Cyberkriminalität. Telefonterror von wildgewordenen Trollen, Gewalttätern wird auch nicht nachgegangen.
Die Polizei hat nicht die technischen Mittel, Trolle und Leute, die nötigen oder bedrohen zu verfolgen.
Und seit wann sind Anzeigen öffentlicher Druck, der Politiker zu irgendwas veranlasst? Tugendfuror und Überempfindlichkeit wird eine dann an den Kiopf geworfen.

Wenn eine Bedrohung oder Telefonterrorr zur Anzeige kommt, sind die Spuren längst kalt. Davon mal abgesehen, dass die deutsche Staatsanwaltschaft auch kein öffentliches Interesse daran sieht, dass eine Frau, die feministisch oder sonstwie bloggt, geschützt werden muss oder wirklich bedroht wird, oder schlichtweg inkompetent ist. Selbst bei Stalking per Internet sind diemachtlos.

Es gibt keine wirklich schlagkräftige Peergroup aus Frauen, Supportern u. a., die schützt oder eine Gegenwehr bietet. Dazu fehlt sowas wie Cyberkämpferinnen, aber dazu sind viele Frauen und Feministinnen technisch oder moralisch nicht in der Lage, das zu tun wozu viele Männer in der Lage sind, technisch gut bewaffnet zu sein, zu drohen und zu stören.

Auch das Rechtssystem zu hoffen, da ist eine verloren.

Ich finde den Leitfaden äußerst kontraproduktiv und teilweise unrealistisch. Erinnert mich fatal an Tipps der 90er, die Frauen einhalten sollten, um nicht ver******* zu werden. Mir ist das alles zu passiv, zu nett.

[…] Nach Veröffentlichen des Leitfadens kam Kritik in einem Post auf Femgeeks auf. Ihr findet den Post hier. Ich persönlich sehe das nicht so. Mehrere Studien zeigen was Frauen im Netz passieren kann (siehe […]

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