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Wessen Wissen in der Wikipedia?

Am Samstag ging es bei DRadio Wissen in die zweite Runde, es sollten dabei Geschlechterbilder im Netz diskutiert werden. Beim femgeeks-Twitteraccount wurde wieder etwas mitkommentiert, u.a. das folgende:

Moderatorin: "Ich habe zu Sexismus mal bei Wikipedia nachgelesen" #radioVera Linß, die Moderatorin, las diesen Tweet in der Sendung vor und war hörbar irritiert darüber, was denn problematisch daran wäre, sich bei Wikipedia zu informieren.Das Problem lässt sich erstmal sehr einfach zusammenfassen: Herrschaftskritisches Wissen aus einer Quelle zu nehmen, die sich dadurch auszeichnet, das sie diskriminierende Strukturen reproduziert, kann einfach nicht funktionieren.

Wissensproduktion ist immer ein umkämpftes Terrain. Und gerade in der Wikipedia werden diese Kämpfe sichtbar. Durch Argumentationen zu Objektivität und Relevanz wird Herrschaftswissen legitimiert und als Standard festgestellt. Wer_welche versucht dagegen vorzugehen, wird schnell angegriffen. Ein aktuelles Beispiel?

Die Wikipedia-Nutzerin „Fiona Baine“ nahm sich (gemeinsam mit anderen Nutzer_innen) im letzten Monat Themen wie „Matriarchat“, „Männerrechtsbewegung“, „Arne Hoffmann“, „Antifeminismus“ und „Manndat“ an. Diese Artikel hatten bereits existiert, strotzten aber nur so von Einseitigkeit. Gerade in letzter Zeit hat aber auch die Beschäftigung mit dem Themengebiet „Maskulisten“ zugenommen, so erschien gerade ein Buch, welches sich der Bewegung in Deutschland zuwendet. (Eine ausführliche Rezension ist hier zu lesen.)

Es entwickelte sich eine Editier-Schlacht.  Z. B. wurde der Untersuchung von Hinrich Rosenbrock immer wieder die Wissenschaftlichkeit abgesprochen und stattdessen Primärquellen im Artikel verlinkt. Und dass, obwohl Primärquellen als Beleg eigentlich nicht gern gesehen sind bei Wikipedia.

Doch dabei wurde es nicht belassen: „Fiona Baine“ wurde für ihr Engagement auch direkt angegriffen. Es entwickelten sich Diskussionen in Männerrechtsforen, Blogbeiträge wurden geschrieben. Sogar ihr angeblicher Klarname und ihre angebliche Adresse veröffentlichten Nutzer* eines Forums. (Auf der anderen Seite mutmaßten diese Nutzer* aber auch, ob Fiona Baine überhaup eine eigenständige Person sei.)

Bisheriger „Höhepunkt“: Michael Klein und Arne Hoffmann, bekannte Maskulisten, verfassten einen offenen Brief an Jimmy Wales, Mitbegründer von Wikipedia. Titel? „Feindliche, ideologische Übernahme: Deutsche Wikipedia droht im Desaster zu enden.“ In diesem Text schreiben sie von einer Unterwanderung der Wikipedia durch Feminist_innen. Die beiden forderten Wales zu einschneidenden Maßnahmen auf. Die Reaktionen in der Wikipedia-Gemeinschaft waren da aber eher zurückhaltend.

Seitdem ist das Thema etwas abgeflacht, die Auseinandersetzungen um Wikipedia-Artikel aber geht weiter.

15 Antworten auf „Wessen Wissen in der Wikipedia?“

Verrät uns der Blick auf die tagesaktuellen Konflikte wirklich viel über Machtpositionen in der Wikipedia?

Viel hilfreicher dafür, die Perspektive von Wikipedia zu charakterisieren, wären doch eher Datenpunkte wie, dass das Publikum, das dort mitspielt etwa 80-90% Männer sind. Das spiegelt sich auch in den Institutionen, die Wikipedia produziert, wider: Konferenzen,[1] Adminposten,[2] Schlichtungspositionen[3], Juries [4]… Auch dass nicht generisch maskuline Sprache per Regelwerk pauschal ausgeschlossen ist, sagt mMn Einiges aus.[5] (Auch hier unter „Detailfragen“.)

Bonjour!

Um diese Maskulisten zu erkennen und gegen deren Frauenverachtendes Gedankengut vorgehen zu können, empfehle ich dieses wissenschaftliche Buch: http://www.boell.de/publikationen/publikationen-antifeministische-maennerrechtsbewegung-13838.html

Bei jedem Feministischen Thema im weitesten Sinne muss man im WWW leider damit rechnen, dass Maskulisten versuchen den Diskurs zu stören. Meistens treten sie als Trolle auf, da es ihnen nicht möglich ist logische oder vernünftige Argumente einzubringen. Somit kann man sie erkennen und bannen.

Die Problematik mit Wikipedia ist auch seit Jahren das Thema. Im Grunde bestimmt dort ein bedauerlicherweise konservativer Kreis von Männern, nach komplexen Regeln, was in welcher Form letztlich in der Wikipedia steht. Auf diesen dummen Kleinkrieg mit irgendwelchen Versagern, die den ganzen Tag immer mehr Zeit für die einseitige Rückkorrektur von Texten verwenden, hat letztlich keine Frau Lust und Zeit.

Wohlgemerkt auch bei nicht-feministischen Themen ist es öfters nicht möglich (gewesen), was Aktuelles einzubringen!

Auf diesen dummen Kleinkrieg mit irgendwelchen Versagern, die den ganzen Tag immer mehr Zeit für die einseitige Rückkorrektur von Texten verwenden, hat letztlich keine Frau Lust und Zeit.

Deswegen hatte ich vor 6 Jahren dort schon nichts eingetragen. Die ganze Mühe lohnte nicht, gegen den Änderungswahn dort anzugehen. Wenn nach mehreren Stunden Buch/Web-Recherche und Arbeit das ganze wieder zurück gesetzt wurde, war das sinnlos.
Meintewegen heißt das Relevanz, Definitionsmacht oder ganz einfach gerantet: Nach herrschender Meinung gelöscht, was nicht passte.

Die Rezension zum Buch “Die Maskulisten – Organisierter Antifeminismus im deutschsprachigen Raum” habe ich nun auch gelesen.

Dass sich dieser Maskulist Arne Hoffmann einen „linken Anstrich“ gibt ist geradezu grotesk. Immerhin agiert er relativ weit am politisch rechten Rand und schreibt sogar für eine Zeitung aus diesen braunen Sümpfen. Aber bei Extremisten macht es am Ende offenbar so oder so wenig Unterschied, wo sie sich einordnen. Man erkennt sie an der Menschenfeindlichen Ideologie und am Hass.

Es ist eigentlich wirklich tragisch, dass eine an sich so coole Sache durch diese strukturellen Probleme so einen faden und fiesen Beigeschmack bekommt.

Mir geht es inzwischen so, dass ich gezielt Wikipedia ausweiche und mit jeder Diskussion, die ich dort dann doch mal wieder lese, fühle ich mich in meinem Handeln bestätigt.

Als ich vor ca. 10 Jahren etwa mal einen Artikel schreiben wollte, war ich nach 2-3 Wochen nach meiner Registrierung als Autorin schon so entmutigt, desillusioniert und abgeschreckt von diesem patriarchalen Gehabe, dass ich bis heute nicht verstehe, wie es Menschen, denen der Blick auf herrschaftskritische Belange wichtig ist, dort lange „aushalten“ (keine Kritik an den Autor_innen! mehr Ausdruck der Bewunderung für ein mehr als notwendiges dickes Fell, wie mir scheint).

Ich frage mich manchmal, ob da eigentlich nur noch einen Gegenentwurf hilft.

Ich bin da sehr pessimistisch, gerade mit der Etablierung der Masku-Fraktion (die ja jetzt bekanntermaßen auch ihren Rotz – sorry – dazu abgegeben hat), die ja auch ein Stück weit immer schicker und attraktiver für den ein oder anderen (bewusst jetzt mal ungegendert) wird.

Keine neuen Erkenntnisse, aber einfach mein Ausdruck des Entsetzens dafür, dass ein so tolles Projekt so mies underwandert wird.

Kostenloses Wissen – saucool.

Habe ich mir als Kind schon immer gewünscht.

Der Frauenrechtlicher Simone de Beauvoir, hackt’s noch?

Die Angriffe hatten gestern leider einen neuen Höhepunkt erreicht. Fiona Baine hat sich infinit sperren lassen. Ein Maskulist konnte Fiona mit „Weibchen: Bei mir hast du Narrenfreiheit…“ ansprechen, ohne dafür gesperrt zu werden Parallel wurden sexistische Animationen und entsprechende Texte auf den Diskussionsseiten von Wikipedia-Autorinnen gepostet, die zu Maskulinismus/ Antifeminismus schreiben. Als Fiona dann noch selber als Vandalin gemeldet und über ihre Sperre verhandelt wurde, hat sie sich infinit sperren lassen. Michael Klein und andrere Maskulinisten feiern dies als Etappensieg und drohen bereits der nächsten Autorin mit Anwalt und Klarnamennennung.
http://andreaskemper.wordpress.com/2012/08/16/1265/

Ich bin zwar keine Frau, aber das Thema beschäftigt micht trotzdem, gerade weil Wikipedia bei gesellschaftlichen Themen den gesunden (also herrschaftlich geprägten) Menschenverstand feiert, der zwar lehrreich über die herrschende Meinung sein kann, der aber durchaus oft groteske „Ambivalenzen“ (sie nennen das neutral) offenbart, wenn man sich mit einem Thema genauer auseinandersetzt. Ich kenne ein Konzept, wie man eine MediaWiki (die Software von Wikipedia) in einem demokratischen Prozess verfasst, aber ein Enzyklopädie ist das auch nicht mehr. (1)
Was bräuchtet ihr denn um den Prozess richtig zu gestalten (Wikipedia-Artikel kann man ja kopieren und woanders weiterpflegen, gute Quellen sind immer gut und können in die Wikipedia zurückgebracht werden). Ich meine Wikipedia ist ja immerhin frei kopier und (woanders) editierbar. Mein Problem war nämlich dann, dass ich auch keine Editierregeln vorgeben könnte ohne gewisse Vorgaben zu machen, selbst wenn man die Perspektive sogar auf sowas wie historischen Materialismus eingrenzen würde.

(1) Es ist ein Wahltool, aber man stimmt ja immer über einen Text (Artikel) ab: http://zelea.com/w/User:Mike-ZeleaCom/Tor/p/grfin
Hintergrund gibts hier: http://zelea.com/project/votorola/home.xht

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