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Sind Autoren auch Frauen? Identitätspolitik in der Wikipedia

Über die Unsichtbarkeit von Frauen in der Wikipedia ist inzwischen viel geschrieben worden, ebenfalls über den minimalen Anteil unter den Autor_innen. Nun schaute die Autorin Amanda Fillapacci einmal genauer in die Kategorie “American Novelists” (US-amerikanische Romanautor_innen). Dass dabei auch das vermeintlich geschlechtsneutrale Englische nicht allzu geschlechtsneutral ist, zeigte sich hier besonders gut. Denn viele Autorinnen sind stattdessen in die Kategorie “American Women Novelists” (weibliche US-amerikanische Romanautoren) eingetragen worden. Darüber berichtete sie in der New York Times, andere Seiten griffen die Diskussion auf.

Der obere Teil eines weißen Balls aus Puzzleteilen, in der Mitte ein großes W (aus dem Wikipedia-Logo)
CC BY-2.0 jaaron

Männer als Standard, Frauen als „das Andere“. Denn “American Men Novelists” gab es natürlich nicht. Inzwischen hat sie jemand erstellt, sie ist allerdings sehr übersichtlich gehalten. Doch gibt es tatsächlich eine Kampagne? Im schlimmsten Fall koordiniert und aus böswilligen Motiven heraus? Nein, meint Programmiererin und Bloggerin Liz Henry. Sie hat sich angeführte Autorinnen, bzw. deren Wikipedia-Seiten angeschaut. Eine koordinierte Verschiebungskampagne kann sie nicht finden. Wohl aber befürchtet sie die Konsequenzen der Diskussion. Denn nun ist eine Umeditierungswelle ausgebrochen, in deren Zuge die Autorinnen wieder in die “American Novelists” zurückbefördert werden, oft mit der Löschung aus den “American Women Novelists”. Auch die komplette Löschung der Kategorie steht im Raum.

Damit steht die Wikipedia vor einem alten Problem: der Gratwanderung zwischen (Un-)sichtbarkeit und (Ent-)Normalisierung von Frauen. Die Kategorie „Romanautorinnen“ bedeutet einen Zuwachs an Sichtbarkeit und gleichzeitig die Einordnung in den „Nicht-Standard“. Und nach welchen Kategorien sollten Menschen in der Wikipedia überhaupt unterschieden werden? Geschlecht, race, Ethnizität? Ist das Risiko der Abwertung solcher Merkmale höher als der Gewinn für Menschen, die sich über diese Identitäten informieren wollen?

Technisch gesehen stände der Eröffnung der Oberkategorie “American Novelists” mit den Unterkategorien “American Women Novelists”, “American Novelists who don’t identify as Men or Women” und “American Men Novelists” nichts im Wege.

11 Antworten auf „Sind Autoren auch Frauen? Identitätspolitik in der Wikipedia“

Dazu passend dieser Artikel:
Yes, Wikipedia Is Sexist — That’s Why It Needs You
http://www.forbes.com/sites/deannazandt/2013/04/26/yes-wikipedia-is-sexist-thats-why-it-needs-you/

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man sich hier im Kreis dreht. Das Problem besteht seit vielen Jahren und es wurde viel diskutiert. Über das eigentlich Logische und Selbstverständliche. Geändert oder gar verbessert hat sich nichts.

Was die Kategorien betrifft, liegt dahinter in diesem Fall natürlich die maskulin geprägte, sexistische, Intention solcher „Männergruppen“ dahinter. Da einseitig unausgewogen, muss man diese natürlich ablehnen.
Aus meiner Sicht ist aber eine jeweils eigene Kategorie Women Novelists / Men Novelists nicht generell abzulehnen. Vorausgesetzt, es gibt eine Gesamtliste und alle Männer sind dann auch in der „Men Novelists“ Listung dabei, versteht sich. Dies deshalb, da ich persönlich mehr Wert auf Women’s Writings lege und dann bereits einen Filter habe.

BTW, habe ich mir immer gedacht, dass The Matrix I doch ein sehr guter Film ist. Da habe ich mich gewundert, dass 2 männliche (!) Nerds etwas so tiefsinniges zustande gebracht haben. Aber gut, konnte ja sein.
Nach vielen Jahren hat sich nun herausgestellt, dass The Matrix von Sophie Steward kommt, die das Buch 1981 geschrieben hat. Ebenso von ihr geklaut wurde Terminator. Sie hat in dem jahrelangen Verfahren endlich recht bekommen und entsprechend auch Geld für ihre Werke. Aber kann es denn sein, dass man Jahrzehnte dafür kämpfen muss? Shame on you Hollywood!

Im Moment fällt es mir schwer, diesen Zwiespalt zwischen Sichtbarmachen und Einordnung in Nicht-Standard nachzuvollziehen. Warum erfordert der Wunsch nach Sichtbarmachung eine Sonderkategorie? Wenn speziell weiblich identifizierende Autor*innen sichtbarer werden sollen, warum dann nicht einfach mehr von ihnen in die entsprechenden allgemeinen (oder nach Genre sortierten) Listen schreiben? Für mich ist das keine Gratwanderung: Eine extra so benannte Sonderkategorie befördert ganz klar eine permanente Ungleichstellung. Es ist eine Sache, danach zu fragen, wo denn die weiblichen Autor*innen auf der Gesamtliste stehen – extra eine Sonderliste zu erstellen ist jedoch keine gute Antwort, wie ich finde.

Wie willst Du denn speziell Autorinnen sichtbar machen, wenn Sie in der Liste der Autoren drin sind? Eigene Listen zeigen z.B. wieviele Frauen etwas machen, sie erleichtern die Recherche, weil nicht erst männliche Autoren ausgeschlossen werden müssen und niemand basierend auf dem Vornamen das Geschlecht erraten muss. Nicht zuletzt hat die Wikipedia auch keine geschlechter-gerechte Sprache eingeführt, so dass die Liste immer „Autoren“ heißen würde – und da denken nun mal die meisten an Männer.

Hm, in der deutschsprachigen Wikipedia gibts die Kategorien „Mann“ und „Frau“, in die jeder Artikel einkategorisiert ist. Damit erübrigt sich das Problem, weil man einfach mit Suchtools nach Personen suchen kann, die in den beiden Kategorien Autor und Frau sind. Scheints in der englischen nicht zu geben, komisch, dabei löst es das Problem recht gut…

Stimmt, das ist natürlich noch eine andere Lösung. Wobei das wiederrum nicht allen Suchenenden klar ist, bzw. auch ich wüßte jetzt nicht auf Anhieb, wie ich das machen sollte. Ein Klick auf „Autorinnen“ ist da … einfacher.

Der Beitrag von Gan-Chan schneidet es doch unfreiwillig (Lara Wachowski) an, oder wirft die Fragestellung auf: wäre es nicht sinnvoller, die Unveränderlichkeit und überhaupt Existenz der bestehenden Geschlechterkategorien grundsätzlich in Frage zu stellen und gleich für eine geschlecht_erlose Sprache zu kämpfen?

Der Kampf kann natürlich nur ausgetragen werden indem bestehende Kategorien weiter benannt werden (dürfen), und auch um der Sichtbarkeit willen sollten bestehende Kategorien weiter benutzt werden.

Nur ist die Frage, ob das Ziel des ganzen Kampfes (bspw. in der Wikipedia) dann eben wieder zwei geschlechterbasierte Kategorien sein sollten, oder gar eine dritte noch dazu („keins von dem beiden anderen“) – was doch dann nur aus generischem Maskulin eine Heteronormativität konstruiert, es gibt dann Mann/Frau als das „normale“, und alle anderen als das abnormale?

Auch noch kein echter Gewinn, finde ich.

Sichtbarmachung von Autorinnen finde ich völlig sinnvoll, wobei ich es immer blöd finde selber mein Geschlecht in einem Dropdown auszuwählen – m/f/*? – da ist also die Lösung des deutschen Wikipedias mit Personenbezogenen Kategorien zwar technisch schön, aber am Ende auch wieder nur… m/f

*grübel* – schade das ich auch nur Fragen und keine Antworten habe!

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