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Periodentracking oder auch: Gruselalarm!

Theoretisch reicht zum „schnöden Periodentracking“ die eingebaute Calender-App meines iPhones aus. Doch mal ehrlich: da muss mehr drin sein. Also habe ich mich vorgestern aufgemacht, auch dafür eine App zu finden. Eine Reise in die pink-floralen Abgründe des iTunes App-Stores (falls es unter Androiden besser aussieht, sagt Bescheid!).

Den ersten Dämpfer erhält mensch schon beim Blick in die Kategorie „Medizin“. Dort gibt es das Lexikon der Hundekrankheiten, Pillboxie und jede Menge Apps zum Baby zeugen oder tracken – aber keine einzige hervorgehobene App zum Verhüten oder Regel tracken. Apple und seine sexistischen Doppelstandards mal wieder?! Also „period tracker“ eingegeben, um endlich an den Stoff zu kommen. Und voilà:

Übersicht der iTunes Suchergebnisse zu "period tracker" - lauter rosa Blümchenapps
Blumenwiese des Horrors

Rosa! Blümchen! Überall! Und es hört nicht auf! (Das unten rechts in der Ecke ist eine allgemeine Quantified Self-App, die laut Selbstbeschreibung alles mögliche trackt. Leider war nicht ersichtlich, ob Perioden dazu gehören.)

App: Monthly Cycles. Mehr Blümchen! Mehr rosa!
Mehr Blümchen! Mehr rosa!

Ein Highlight: Obwohl spätestens jetzt allen klar sein sollte, wofür rosa Blümchen-Icons stehen, gibt es sogar Apps, die sich als Shortcut „tarnen“ und z.B. nicht „Periode“ ausschreiben. Alles klar, 2012 und die Regel ist immer noch etwas, dass frau zu verstecken hat. Aber da geht noch mehr. Immer mehr. Wirklich. So wirbt man bei Period Tracker damit, NOCH NIEDLICHER geworden zu sein.

Period Tracker wird damit beworben, noch NIEDLICHER zu sein.
Period Tracker: CUTEEEE

„Nur niedlich“ sah dabei schon abgefahren niedlich genug aus:

Lauter niedliche Gefühlsicons in Period Tracker
Period Tracker: cute

Überhaupt greift hier an allen Ecken und Enden die Marketing-Strategie, Frauen bloß nicht mit zuvielen Details und Features zu überfordern. Aus den Beschreibungen wird leider meist nicht ganz klar, was die Apps so genau können. Temperatur- und Gewichtsangaben scheinen meist Standard zu sein und damit wird eine Richtung vorgegeben: Empfängnis(verhütung).

Daher nun ein paar Features, die ich bisher gar nicht gesehen habe, die ich sehr sinnvoll fände. Obwohl ich nicht glaube, dass sie so schnell umgesetzt werden:

  • Einfacher Abgleich/Synchronisation mit anderen Nutzer_innen, ob jetzt für lesbische Paare oder Freund_innen, die herausfinden wollen, ob sie wirklich zur gleichen Zeit menstruieren.
  • Eintragen von (Geschlechts)Krankheiten und Abgleich/Herausrechnen der Symptome.
  • Eintragen multipler Sexpartner_innen und Sexpraktiken.

Letzteres kann prinzipiell übrigens oft eingetragen werden. Meist kommt dann ein kleines Herzchen raus, Sex ist ja soooo romantisch. Und vor allem:

Ein Screenshot einer iPhone App. Markiert ist der Eintrag "Special Day" für Tage mit "Sex"
Special Day!?

Tja, schade. Dabei ist FemDays noch eine der „schönsten“ Apps, sprich angenehm funktional. Noch übersichtlicher ist da eigentlich nur noch eine App: Cycle Aid. Die hatte ich angeklickt, mich über die klare Farbgebung gefreut – und dann das Icon erblickt. Ja, hier handelt es sich um eine „Hilfsapp“ für Männer, komplett mit „Tipps“ für den Umgang mit rabiaten Frauen (Schokolade und Rosenblätter…)

Cycle Aid ist nicht rosa, aber frauenfeindlich...
Ich kriege spontan PMS und weine!

Zusammenfassend gibt es also kaum ein Entkommen aus der rosa Blumenhölle der Heteromononormativität. Alles, wie gehabt im Offlineleben. Bloß keine technischen Details, um die armen Frauenköpfchen nicht zu überfordern. Alles irgendwie hübsch und stylisch, aber dann doch nicht zu auffällig weiblich. Überhaupt: Alles mehr Wellness als Gesundheit. Da muss doch mehr drin sein!

14 Antworten auf „Periodentracking oder auch: Gruselalarm!“

Haha, so einen Artikel hatte ich auch im Kopf^^

besonders herzzereißend sind ja die ganzen Icons für Laune und Begleiterscheinungen, die kaum was mit dem dahinterstehenden Symptom zu tun haben. Für Blähungen steht zum Beispiel ein Cupcake. In drei verschiedenen Größen :D

Ich benutze OvuView auf Android und bin damit recht zufrieden. Ok, die App bedient sich ebenfalls Blumensymbolik, ist aber nur pink, wenn man das möchte. Ich finde sie sonst sehr dezent und angenehm designt. Man kann Anwendungsziele festsetzen (Schwanger werden, Schwangerschaft vermeiden und Einfacher Menstruationskalender), einige Symptome sind vorgegeben, andere kann man dazuwählen („Geschlechtstrieb“ amüsiert mich), 8 „benutzerdefinierte Symptome“ kann man selbst eintragen. Symptome ist aber nur der Überbegriff für alles, was man in den Kalender eintragen kann, also auch Geschlechtsverkehr (Ja, Nein, Vormittag, Nachmittag, Beides), mehrere Sexpartner_innen müsste man schon selbst hinzufügen. Und in der Tat, Geschlechtskrankheiten kommen auch hier nicht vor.

Noch eine Stimme für OvuView auf Android! Ich habe so ziemlich alle getestet, und bin damit nun seit über einem Jahr mehr als zufrieden. Ist einfach mit Abstand am besten designt, übersichtlich und nicht aufdringlich. Es gibt viele verschiedene Farben zur Auswahl. Außerdem ist der Support gut und die Entwickler sind offen für Vorschläge. Also einfach mal mit denen Kontakt aufnehmen, wenn man ein bestimmtes Feature vermisst. :)

Geschlechtskrankheiten hat man ja eigentlich (hoffentlich!) nicht so oft, dass man sie meiner Meinung nach unbedingt in eine App/ein Programm eintragen können müsste bzw. dass es dafür eine eigene Kategorie im Programm geben muss. Das ließe sich ja auch in einer allgemeinen Zeile für Krankheiten und andere „Unpässlichkeiten“ (dummes Wort) eintragen.

Verschiedene Sexpraktiken in einem Programm unterscheiden zu können, fände ich da schon interessanter: Wenn es mir z.B. darum geht, eine Schwangerschaft zu vermeiden, dann könnte ich im Rückblick sehen, ob ich an diesem oder jenem Tag eine Art von Verkehr hatte, die in dieser Hinsicht gefährlich sein könnte, bzw. mich versichern, dass es nicht so war.

Ich selbst habe kein Smartphone und daher auch keine entsprechende Zyklus-App, sondern ich verwende eine hochkonfigurierbare und individualisierbare (Buzzwords!!) Zykluskurve aus Papier zur Zyklusaufzeichnung und zur Verhütung nach der symptothermalen Methode der Malteser AG NFP.

Für diese Art der Zyklusbeobachtung gibt es auch eine iPhone-App namens iNFP. Die ist leider auch ein bisschen pinkig, aber angesichts der zugrundeliegenden Methode wahrscheinlich nicht ganz so furchtbar blümchenlifestyleartig wie die anderen Apps aus dem lila Gruselkabinett. Mangels Smartphone kenne ich sie nicht persönlich, aber wer mal gucken möchte: https://itunes.apple.com/de/app/infp-naturliche-familienplanung/id425164872

Hier ist noch eine zufriedene OvuView und Android Nutzerin.
Ich wünschte wirklich, für iOS würde es was vergleichbares geben! Ich habe erst gestern mal wieder den Appstore durchsucht, in der Hoffnung auf einen erträglichen Menstruationskalender für das iPad, aber mit ging es wie dir: Ich habe mich mit Grauen abgewendet.

Das von Laurie genannte iNFP verwende ich um meine Zykluskurven zu führen und bin damit recht zufrieden. Gut, auch hier ein kleines bisschen Pink und Herzchen als Symbol für Sex. Im großen und ganzen aber erträglich und eher nüchtern.
Ist aber als reiner Menstruationskalender, wenn man nicht symptothermal seinen Zyklus beobachtet/verhütet/schwanger werden möchte eher weniger zu gebrauchen.

Ich benutze MaeGirls. Das gibts aber wohl nur auf Maemo. Es hat nicht viele Funktionen und es finden sich keine Blumen, kein rosa oder sonstige Cuteness darin. Aber Maemo ist ja auch nur so ein Randgruppenlinux.

Ich benutze Papierkalender die mensch als Werbegeschenk aus der Apotheke kriegt und hab mich schon öfters über die Pillenwerbung geärgert der ich mich damit aussetze. 2012 hatte ich immerhin einen Kalender mit Schmerzmittelwerbung, war besser. Pink waren die Kalender übrigens nicht, eher grün und gelb, warum auch immer.

Habt ihr eine spontane Idee für ein Symbol für Sex, das kein Herzchen ist? (Wir werkeln nämlich gerade an einem kostenlosen Open Source Programm, das nach den Malteser NFP-Regeln auswertet und von Feminist*innen kopfschmerzfrei benutzt werden kann. „Multiple Partner*innen“ hab ich mir schon mal aufgeschrieben.)

Ist zwar inzwischen besser geworden, aber das Grundproblem der Feministinnen bleibt: Über die von Männern gemachte Welt beschweren könnt ihr euch. Aber selber machen ist nicht. Ich sage nicht, dass die Kritik nicht berechtigt ist. Aber wenn es dir nicht passt, dann setz dich doch hin, und programmiere etwas besseres, anstatt an Produkten rumzumäkeln, die wahrscheinlich von Männern geschaffen wurden. Frauen dürfen gerne an einer besseren Welt mitwirken, anstatt nur zu reden, was alles Mist ist.

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