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Lieber Ray

Laura* schreibt auf HeteroSexismus hacken und hat dort auch noch einen allgemeinen Rückblick auf den 29C3 veröffentlicht. Hier crossposten wir nun ihren offenen Brief an den Moderator des Hackerjeopardy auf eben jener Veranstaltung. Vorschläge für den nächsten Kongress gab es auch schon bei uns zu lesen.

Lieber Ray.

Ich weiß nicht, wie viel bei dir ankommt von den Wellen, die das Hackerjeopardy geschlagen hat, oder was du davon abbekommst.
Bei mir als ‚Betroffene‘ sowie ‚Kritikerin‘ kommt sehr viel an – nicht zuletzt Verteidigungen deiner Person und deines Verhaltens, sowie (gelinde gesagt) Kritik an meiner Berichterstattung, Haltung, Position und Person (inklusive einer sehr detaillierten Übersicht, welche Klischees mir zugeschrieben werden und eine deutliche Artikulation, wo die Kommentierenden mich hinwünschen.)

Ein großer Streitpunkt scheint zu sein, ob ich berechtigt bin, dein Handeln zu kritisieren – und wer beurteilen kann, was du dir dabei gedacht hast, welche Haltung dahintersteckt oder ob dein Handeln legitim war. Ich finde es wichtig, hier klarzustellen: Was du dir dabei gedacht hast, was du damit aussagen wolltest und von welchen Voraussetzungen du dabei ausgingst – kann ich nur vermuten und ist überhaupt nicht der zentrale Punkt. Ausschlaggebend ist für mich als Besucherin deiner Veranstaltung, dass dein Handeln eine Haltung demonstriert, die für mich den Aufenthalt dort sehr unangenehm macht und mich befürchten lässt, dass diese Haltung damit allgemein legitimiert wird und damit das gesamte Klima für mich latent unangenehm macht.

Im Klartext: Du sagst, dass es nicht notwendig ist, dass wir uns mit Sexismus befassen (auch wenn es Menschen gibt, die sich betroffen fühlen und das einfordern) und demonstrierst, dass du dir herausnehmen darfst, darüber zu entscheiden. Und denkst dir vielleicht nicht viel dabei.

Ich bin täglich davon betroffen, dass Menschen meinen, sich herausnehmen zu können, mich aufgrund meines Geschlechts – ohne Ansehen meiner Person – beurteilen, geringschätzig behandeln und meine Meinung ignorieren zu dürfen. Nur leider liegen sie damit falsch. Dabei ist diesen Menschen vermutlich nicht mal bewusst, dass genau dieses Verhalten Sexismus ist. Zu sagen (zumal als Nicht-Betroffener), dass darüber nicht geredet werden muss (darf?), heißt implizit also, dass das Problem nicht besteht oder keiner Anerkennung bedarf – stellt sich also über meine Erfahrungen als Betroffene und will mir absprechen, diesen Missstand benennen zu dürfen. Es ist ein schwerwiegendes Wort, aber so funktioniert Unterdrückung. Alles bleibt wie es ist und wem es nicht passt kann die Klappe halten oder gehen (… wohin?).

Dass das nicht deine Intention war, wage ich stark zu hoffen; aber dass dein Handeln genau diese Mechanismen stützt habe ich befürchtet und genau das ist auch passiert:
Ich fühle mich als Teilnehmerin einer Veranstaltung durch das dort an den Tag gelegte Verhalten unwohl, unter anderem weil ich ahne, dass es Folgendes stützt: Wer sein Unwohlsein in diesem Zusammenhang artikuliert, kriegt – drastisch gesagt – auf die Fresse .

Ich artikuliere und begründe mein Unwohlsein in diesem Zusammenhang und kriege auf die Fresse.
Es ist genau das passiert, was ich als Problem erkannt und benannt habe. Nur scheint das niemandem aufzufallen – die Nebenschauplätze reichen von A bis Z, der Ton von nüchtern bis beleidigend; aber die schlichte Erkenntniss „Wenn ich im Zusammenhang mit Sexismus Missfallen und Unwohlsein äußere, schlagen mir Angriffe und Aggressionen entgegen“ bleibt scheinbar aus. Von der Erkenntnis, dass das ein zentraler Bestandteil davon ist, Sexismus zu festigen, ganz zu schweigen.

Lieber Ray. Das traurige ist, dass du sicher nichts davon wolltest.
Ich glaube auch gerne, dass du dir einfach nicht so viele Gedanken darum gemacht hast. Warum auch? Aber Ich muss mir diese Gedanken machen, weil ich mich nicht entziehen kann, dem ausgesetzt zu sein.
Du stehst auf der Bühne: du hast einen Namen, ein Mikro, die Aufmerksamkeit und prinzipiell das Wohlwollen des Publikums.

Ich sitze im Saal: mich kennt niemand, meine Stimme dringt nicht durch, ich habe erstmal keine Basis für Aufmerksamkeit und kann mit dem Wohlwollen der Mehrheit nicht rechnen.

Und ich kann verstehen, wenn du dir um solche Kleinigkeiten keine Gedanken machen willst.
Vielleicht machst du dir auch viele Gedanken, ich weiß es nicht. Wer weiß, was bei dir ankommt.
Fest steht jedenfalls, dass du beim nächsten Kongress wieder auf der Bühne stehen wirst und das Publikum wieder hinter dir steht. Vielleicht mehr denn je, denn ich werde nicht darunter sein, und andere, denen die Freude vergangen ist, vielleicht auch nicht.

Was bleibt? …

Aber vielleicht wird ja auch alles ganz anders. Wer weiß.

Eine Antwort auf „Lieber Ray“

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