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Genderdebug

Wenn der_die innere Geek verhungert

Neulich habe ich meinen Feedreader bestückt, nachdem ich sehr lange überhaupt keinen verwendet habe. Wahllos abonnierte ich alle Blogs, die mir auf Anhieb einfielen. Danach solche, die ich in meinen Bookmarks fand und anschließend die Blogs der Menschen, denen ich auf Twitter so folge. Nicht alle, sonst würde ich vermutlich heute noch da sitzen (und wann soll ich das alles lesen?). Als ich ‚fertig‘ war, befanden sich in meinem Feedreader beinahe ausschließlich feministische Blogs und insgesamt fast nur Blogs von Frauen*. Das hätte vor ein paar Jahren noch anders ausgesehen und ich selbst hätte es ausgewogener erwartet. Meine eigenen Geekthemen (Computerthemen!!) fehlten vollständig.

Da ich gerade ein Auslandsjahr in Edinburgh (Studium: Computing) begonnen habe, bin ich gerade sehr viel mit organisatorischen Dingen im Studium beschäftigt. Hier sind mir auch einige Feeds begegnet, gefolgt von Feeds, die mit dem Inhalt meines Studiums zu tun haben. Lange schon habe ich das Gefühl, dass ich diesen Themen, die mich nicht weniger interessieren als feministische Themen, immer weniger Raum in meiner gesamten Online-Zeit gelassen habe. Sie wurden verdrängt durch die Beschäftigung mit feministischen Themen. Auch wenn ich selbst nicht zu denen gehöre, die sehr viele Artikel veröffentlichen, verbringe ich doch sehr viel Zeit mit Lesen und Denken. Mittlerweile fühlt es sich jedoch stark so an, als ob meine innere Geek zu kurz kommt. Der Wunsch beides irgendwie zu vereinen hat mich zu Femgeeks geführt.

Ich habe bereits von einigen Frauen* gelesen, dass sie sich aus den, ich nenne es mal plump „Gender-Debatten“, zurückziehen, um sich (wieder) mehr anderen Leidenschaften zu widmen und in diesen Beschäftigungen Erfüllung zu finden. Auch für mich sind diese Debatten oft mit Frust verbunden, wie ich auf meinem eigenen Blog bereits mehrfach durchscheinen ließ. Es gibt keine simple Lösung für mich wie „dann lass‘ halt den Feminismus-Kram und konzentriere dich voll und ganz auf das was mir Spaß macht“. Das liegt daran, dass dieser Satz allein schon ziemlich falsch ist, denn Spaß ist nicht alles und steckt trotzdem in vielen dieser Aktivitäten. Außerdem sind einige gerade dann sexistischen Vorfällen ausgesetzt, wenn sie sich geekigen Themen widmen und sind gezwungen damit umzugehen. Was mich alles nun zur Frage führt: Wie schaffe ich es meine Zeit so ausgewogen zu nutzen, wie ich es mir wünschen würde? Ein Problem ist dabei das Versumpfen (also immer tieferes Hineinklicken in aktuelle Themen) im Netz, was vor allem durch Twitter ziemlich begünstigt wird.

Mich würde vor allem interessieren wie andere Geekfeminist_innen das so machen. Sagt ihr euch immer irgendwann: „es reicht, ich ziehe mich zurück und programmiere/schaue geekige Serie/lese geekiges Genre/widme mich Computerspielen …“? Oder müsst ihr das gar nicht? Erzählt!

Von Melanie

Melanie macht irgendwas mit Computern und hat Femgeeks gegründet.

6 Antworten auf „Wenn der_die innere Geek verhungert“

Hmm, die Problematik kommt mir bekannt vor. Auch ich lese mittlerweile sehr viele feministische Blogs, wobei ich vorher gar nicht so viele geekige verfolgt habe und es damit zumindest nicht diese Ersetzung gab. Aber sie nehmen echt viel Zeit in Anspruch, Tendenz steigend. Hinzu kommt noch die Zeit, in der ich meine gewohnten geekigen/nerdigen Räumen aus feministischer Perspektive sehe bzw sie damit konfrontiere. Insofern ist das „Aussteigen“ eh nicht mehr möglich. Ich seh auch in geekigen Medien (Serien, Spiele) gerne mal feministische Aspekte, das lässt sich nicht voneinander trennen.

Aber ja, manchmal gibts dann diesen Moment, in dem ich einfach genug feministische (und andere anti-*istische) Blogs für den Tag hatte und mich genug über den neuesten Sexismusvorfall aufgeregt habe. Dann schaff ich es auch mal, die betreffenden Links an dem Tag nicht mehr anzuklicken, ist ja meistens aus dem Tweet ersichtlich. Ist so ne Art Selbstschutz, denn „auszubrennen“ und irgendwann nur noch frustriert zu sein nützt ja auch nichts.

Den Ausgleich kriege ich vor allem über Uni und Arbeit (wie bei dir Informatik), und indem ich mich eben in Räume (Hackspaces, Konferenzen) begebe, in denen es in erster Linie um Technik geht. Von dort kenn ich dann auch Leute, die darüber schreiben und denen ich followen kann. Und da die Themen im Feedreader halbwegs getrennt sind, kann ich ggf. nur das anklicken, wofür ich grad den Kopf habe.
Twitter ist am nächsten Tag auch noch da…

Hehe, das klingt irgendwie ganz nach meiner Erfahrung: Wenn du einmal die feministische Brille aufgesetzt hast, fallen dir plötzlich so viele Dinge auf die du früher nie gesehen hättest.

Vielleicht sollte ich meine Aufmerksamkeit wirklich mal mehr auf Konferenzen/Hackerspaces oder Ähnliches lenken. Da ich nun mit meiner Bachelorarbeit anfange ist das auch ein guter Anlass mehr an der Uni rumzuhängen. Aber andererseits auch wieder die Gefahr sich mit anderen Themen gezielt abzulenken. :)

„Twitter ist am nächsten Tag auch noch da…“ ohh ja.

In deinem Beitrag konnte ich mich ziemlich gut wiedererkennen. Ich habe selbst bis vor kurzem gar keinen Feedreader benutzt, aber weil es mir allmählich lästig wurde, immer wieder dieselben Lesezeichen in (tendentiell sowieso viel zu vielen offenen) Tabs aufzumachen, entschied ich mich dazu, das einmal auszuprobieren. Und obwohl ich ebenfalls häufig IT-Seiten wie heise oder Pro-Linux ansurfe, sind in dem Feedreader letztlich irgendwie hauptsächlich Blogs mit feministischem Hintergrund gelandet. Eigenartiges Phänomen ^^

Ich kenne das auch von mir selbst, dass ich dazu neige, mich im Internet „festzubuggen“, in diversen Foren, irgendwelchen Blogs etc. Blogrolls sind meine größten Feinde: irgendwann seh ich das Hölzchen vor lauter Stöckchen nicht mehr. Irgendwann fange ich an, mich matschig im Kopf zu fühlen, und wenn ich dann auf die Uhr schaue, ist es 11 Uhr abends und ich habe so gut wie nichts geschafft.

Damit ich dem entkommen und selbst kreativ werden (d.h. etwas schreiben, programmieren etc.) kann, muss ich persönlich eine ganz klare Trennung vornehmen. Das heißt: Browser zu, eventuell auch Rechner aus, anders geht’s meist einfach nicht. Was mir auch hilft, ist einen Timer zu benutzen, damit ich ein Gefühl dafür habe, wie viel Zeit ich tatsächlich online verbringe (kann ein ganz normaler, physisch vorhandener Wecker sein oder auch mein Gnome-Alarm; ein Freund von mir bspw. schwört auf Tomighty). Da der Feedreader, den ich nutze, ein Add-on für Thunderbird ist, hat das für mich den großen Vorteil, dass die ganzen Blogs zumindest vom Browser abgekoppelt sind, und wenn Thunderbird zu ist, dann ist da Ruhe (jedenfalls wenn ich konsequent bleibe…).

Der für mich wichtigste Schritt, aus dem die oben genannten Beobachtungen und Handlungen resultieren, war für mich, zu erkennen, dass es da in mir dieses unstillbare Bedürfnis gibt, mich ständig über irgendetwas zu informieren zu wollen, und dass das Netz dieses Bedürfnis natürlich stets gern bedient. Es scheint, dass ich lieber dem nachgebe, um daraus eine schnelle Befriedigung zu ziehen, anstatt mich meinem eigenen Schaffen zu widmen, das vermutlich auf lange Sicht viel fruchtbringender und zufriedenstellender wäre. Die Gründe dafür, warum ich so handle, versuche ich im Moment noch herauszufinden, aber eine spannende Sache ist es allemal, vor allem, da ich immer öfter den Eindruck gewinne, dass es nicht nur mir so geht.

Orrr das mit dem 11 Uhr und matschig im Kopf trifft absolut auf meine „schlimmsten“ Tage zu! Bei mir hat bisher in Richtung Selbstdisziplin immer nur komplett abschalten geholfen. Die Idee mit dem Timer werde ich trotzdem mal ausprobieren, danke. :)

Das Bedürfnis das du beschreibst, das habe ich auch. Deshalb werde ich auch gleich unruhig, wenn ich kein Internet habe, obwohl ich meistens ja doch nicht so viel verpasse.

Hach, es ist ganz schön zu lesen, dass ich nicht allein bin. Spannend ist das wirklich. Anderen Menschen ist das vielleicht nicht so bewusst oder einfach egal?

Auch wenn ich es eher nicht kenne, daß Geek-Sein vor lauter Feminismus zu kurz kommt:
Ich kenne die Erschöpfung/Frustration/schlechte Laune angesichts einer Twitter-Timeline, deren feministischer Teil an manchen Tagen nur aus Empörung zu bestehen scheint. Meine Gegengewichte heißen zur Zeit Raumfahrtcontent (yay Astronaut_innen auf Twitter und NASA TV), Musikmachen (unter anderem mit dem Computer), Beschäftigung mit/Bloggen über Linux-Themen und Podcasten.

Und manchmal kriege ich dann Lust, utopische Romane zu schreiben. Einfach, um mir eine signifikant kackscheißreduzierte Welt einmal vorzustellen.

Das mit den utopischen Romanen klingt nach einer großartigen Idee!

Ich bewundere es immer, wenn Menschen ganz oft was Produktives machen was ihnen Freude bereitet. Mir kommt es immer so vor, als sei es unglaublich schwer der Verlockung zu entkommen einfach Informationen auf mich einrieseln zu lassen. Ich versuche mir ein Beispiel daran zu nehmen. :D

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