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Pilotprojekt Freifunk im TV-Whitespace und die Funkfrequenzpolitik

Bi-Quad-Antenne und Router
Elektra, Bi-Quad und TVWS-Prototyp, CC BY-SA 3.0

Heute stelle ich Euch ein Projekt vor, an dem Elektra von der Freifunk-Initiative seit 2013 arbeitet: Es geht um die Nutzung eines anderen, besser geeigneten Frequenzbereiches für WLAN im Rahmen eines Pilotprojektes. Das elektromagnetische Spektrum ist ja insgesamt sehr groß. Darin gibt es Teile, in denen WLAN viel größere Reichweiten erreichen könnte, als es derzeit möglich ist.  Ich finde dieses Projekt deshalb so spannend, weil es weit über Freifunk selbst hinausweist: Eigentlich geht es dabei nämlich um eine netzpolitische Unverschämtheit im Bereich Spektrumspolitik. Für WLAN sind absichtlich schlechte Frequenzbänder vorgesehen und bei der Vergabe der Frequenzbänder werden Mobilfunkkonzerne bevorzugt, weil sie dafür zahlen.

Elektra eruiert, ob und wie gut es möglich ist, Daten per WLAN auf einer Frequenz zu übertragen, die seit der Abschaltung des analogen Fernsehens frei ist. Sie hat das Projekt bereits in Vorträgen vorgestellt, so dass Ihr es Euch aus ihrem Mund einfach nochmal anhören bzw. ansehen könnt, inklusive Folien (engl.).

Wie ist das überhaupt mit WLAN und dem Funkspektrum?

Für WLAN sind nach dem Frequenznutzungsplan der Bundesnetzagentur (in Abstimmung auf EU-Ebene) zwei Frequenzbereiche im Funkspektrum vorgesehen, 2,4 GHz und 5 GHz. Damit sind genau genommen mehrere kleine Stückchen im 2,4- bzw. 5-GHz-Band gemeint. Diese kleineren Bereiche sind die Kanäle. In Europa haben wir 13 Kanäle für WLAN. Davon sind aber nur vier überlappungsfrei, die anderen Kanäle stören sich gegenseitig, was der Verbindungqualität sehr abträglich ist.

Die Frequenzen, die uns für WLAN zugedacht sind, sind nicht gut: Wir alle wissen, wie schlecht die Verbindungen unserer Endgeräte zum Router schon werden, wenn eine Wand dazwischen ist. Da es bei Freifunk ja um den Aufbau lokaler, selbstgemachter Nachbarschaftsnetze geht, könnt Ihr Euch vorstellen, wie schwierig das oft ist, denn zu den Wänden kommen ja viele weitere störende Einflüsse, ganze Häuserblöcke, Bäume oder die 20 anderen WLAN- oder Bluetooth-Geräte der Nachbarschaft, die alle gleichzeitig auf denselben Kanälen rumfunken. Zu allem Überfluss funken im 2.4 GHz-Bereich auch noch Babyphones, ferngesteuerte Spielzeuge, drahtlose Videoübertragung, Mikrowellenherde. Der 2.4 GHz-Bereich hat schlechte Ausbreitungsbedingungen und ist ständig überlastet. Die Ausbreitungsbedingungen sind im 5 GHz-Band noch schlechter und manche der Frequenzen werden durch Radaranlagen genutzt, die Vorrang vor WLAN haben. Auch die Mobilfunkanbieter schielen für die Weiterentwicklung von LTE auf das 5-GHz-Band, was wiederum weniger Raum bzw. Priorität für WLAN lassen wird.

Von Frequenzen, Wellenlänge und Übertragungsqualität

Es gibt Funkfrequenzen, die viel besser dafür geeignet sind, Funkverkehr unbeschadet über große Entfernungen und durch alle möglichen Hindernisse hindurch zu bringen. Denkt einfach an terrestrisches Fernsehen (also Fernsehen, das ihr nicht per Kabel oder Satellit, sondern von Rundfunksendern empfangt). Das geht ja locker durch die ganze Stadt. An dieser Stelle ist zum Verständnis des Pilotprojektes also ein kleiner Exkurs zu Funkwellen hilfreich.

Veranschaulichung elektromagnetische Welle
User:LennyWikidata, Electromagnetic wave, CC BY-SA 3.0

Die Wellenlänge einer elektromagnetischen Welle ist entscheidend dafür, durch welche Hindernisse eine Funkverbindung gestört wird (in der Abbildung mit dem griechischen Buchstaben Lambda (λ) gekennzeichnet). Die Frequenz besagt, wie viele Zyklen eine elektromagnetische Welle in einer Sekunde zurücklegt, wie oft die Welle schwappt. (In der Abbildung seht Ihr, dass elektromagnetische Wellen nicht zweidimensional sind. Sie bestehen aus einem elektrischen und einem magnetischen Feld, die tangential zueinander stehen und sich im Raum ausbreiten.)

Die Wellenlänge für die WLAN-Frequenzen kann man berechnen, wenn man weiß, dass elektromagnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit (ca. 300.000 km/s) reisen. Für die 2,4 GHz-Frequenz bzw. für 2.440.000.000 Zyklen pro Sekunde rechnet man 300.000.000 / 2.440.000.000 = 0,12295082. Das ergibt eine Wellenlänge von 12 cm. Für die 5 GHz-Frequenz sieht das so aus: 300.000.000 / 5.000.000.000 = 0,06. Die Wellenlänge ist also noch geringer, 6cm.

Welche Wellenlänge man gerne hätte, hängt natürlich davon ab, was man genau übertragen möchte. Im 5-GHz-Band ist die Wellenlänge gering. Der Vorteil davon ist, dass man auf kurzen störungsfreien Funkstrecken schnell viele Daten übertragen kann. Bei kurzen Wellen gehen nämlich in derselben Zeit mehr Daten durch, deshalb ist das optimale WLAN auf der 5-GHz-Frequenz schneller als auf der 2,4-GHz-Frequenz.

Veranschaulichung Fresnelzone
Fresnel_zone_disrupted.png: Kgrr derivative work: DMahalko (talk), Dale Mahalko, Gilman, WI, USA — Email: dmahalko@gmail.com, Fresnel zone disruption (compact), CC BY-SA 3.0

Eine Funkverbindung ist jedoch um so störungsanfälliger, je höher ihre Frequenz, also je geringer ihre Wellenlänge ist. Um dies zu denken, gibt es den Begriff Fresnelzone. Man stelle sich zwei Freifunk-Antennen auf zwei Dächern vor, zwischen denen Funksignale übermittelt werden sollen. Die Fresnelzone ist ein gedachter elliptischer Raum zwischen beiden Antennen, der für eine optimale Datenübertragung per Funk freigehalten werden müsste. Nun gilt leider: Je geringer die Wellenlänge ist, desto kleiner kann ein Hindernis sein, das die Welle bricht. Ragt von unten ein Baum in die Fresnelzone zwischen den zwei Freifunk-Antennen, so fehlt da schlichtweg Raum für die Datenübertragung und die Qualität sinkt. WLAN geht auch nicht durch Stahlbeton, weil die Gitterquadrate in Stahlbeton sich quasi wie Antennen dazwischendrängen: Wenn sie Kantenlängen haben, die in etwa der Wellenlänge (also 12 cm) oder einem Teiler der Wellenlänge (z.B. 6 cm) entsprechen, wirken sie selbst wie Antennen. Außer, dass dort das Signal natürlich nicht weiterverarbeitet wird.

Mit diesem Hintergrund können wir uns nun dem Pilotprojekt von Freifunk zuwenden.

Was ist TV-Whitespace?

Als TV-Whitespace bezeichnet man die Frequenzbereiche, die früher für analoges Fernsehen benutzt wurden. Bald fallen darunter auch die Bereiche, die für digitales terrestrisches Fernsehen der ersten Generation momentan noch genutzt werden (DVB-T). In Europa gab es drei große Bereiche im Funkspektrum, die für Fernsehausstrahlung reserviert waren. Im Zuge der Digitalen Dividenden wurden große Teile davon von den Staaten an Mobilfunk-Anbieter versteigert. Einer dieser Bereiche, von ca. 480 bis 800 MHz interessiert uns hier. Freifunk hat mit Unterstützung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) von der Bundesnetzagentur eine befristete Lizenz für drei Kanäle im 482 MHz-Band bekommen. Sie gilt in Berlin-Friedrichshain, genau genommen bis fünf Kilometer nördlich von den Freifunk-Knoten auf der Zwingli-Kirche. Die erlaubte Sendeleistung ist auch klar geregelt.

Was die Frequenz 482 MHz so attraktiv macht, können wir jetzt selbst nachrechnen: Die Frequenz ist viel niedriger als die der offiziellen WLAN-Frequenzen. Und die Wellenlänge beträgt 62 cm (300.000.000 / 482.000.000 = 0,622406639), was im Vergleich zu 12 cm oder 6 cm sehr viel ist. Man bedenke, dass viel größere Hindernisse in der Fresnelzone herumstehen können, ohne die Übertragungsqualität so stark zu beeinträchtigen. Elektra kann bereits belegen, dass die Datenübertragung durch eine Holzwand, Baumbewuchs und einen Maschendrahtzaun funktioniert – das alles ist nämlich in ihrer Fresnelzone, eine Sichtverbindung zwischen der Installation auf der Zwingli-Kirche und dem zweiten Standort gibt es nicht.

482-MHz-WLAN-Router, gibt’s die denn überhaupt?

Prototyp WLAN-Router 482 MHz
Elektra, TVWS-Router-V2, CC BY-SA 3.0

Jetzt ja. Man kann sie zwar nicht im Laden kaufen, aber Elektra hat für die Prototypen selbst Hardware umgebaut. Sie macht sich dazu das so genannte Multiplicative Frequency Mixing zunutze. Vereinfacht dargestellt, geht das so: Man kann zwei Signale auf zwei verschiedenen Frequenzen in so einen Mixer hineingeben und bekommt zwei zusätzliche Frequenzen heraus. Die sind natürlich nicht zufällig, sondern die eine Frequenz ist die Summe der zwei Ausgangsfrequenzen, die andere ist die Differenz. Um also ein Signal auf 482 MHz zu erzeugen, geht sie so vor: Sie startet mit einem der 2,4-GHz-WLAN-Kanäle, nämlich Kanal 5 bei 2,432 GHz. Dann berechnet sie: 2432-482 = 1950 MHz. Das Signal auf der 1,950 GHz erzeugt sie mit einem im Router eingebauten Oszillator. Der Mixer erzeugt elektromagnetische Wellen mit einer Frequenz von 482 MHz. (Auf den oben verlinkten Folien zu Elektras Vortrag seht Ihr, dass da schon noch ein paar Schritte mehr dazugehören, aber das soll uns hier so reichen.)

Der Vorschlag: Ein lizenzfreies Frequenzband nur für WLAN

Kommen wir nun zur allerwichtigsten Frage: Warum können wir das nicht alle haben, wenn es für den Aufbau größerer WLAN-Netze wesentlich besser funktioniert als die ollen Frequenzen, die WLAN nutzen darf? Da kommen wir dann zurück zur Politik, zur Regulierung des begehrten Spektrums.

Die TV-Whitespace-Frequenzen standen früher dem Fernsehen zur Verfügung. Wenn man sich erinnert, dass es öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht nur Privatsender gibt, könnte man sagen, dass das Frequenzen waren, die der Allgemeinheit zugedacht waren. Das ist mit der Versteigerung an die Mobilfunk-Unternehmen nicht mehr so.

Elektra hat in ihren Vorträgen eine Kostenübersicht aufgestellt, aus der hervorgeht, wieviel Geld die drei Konzerne für diese Frequenzen an den Staat bezahlt haben: Wir sprechen von insgesamt über fünf Milliarden Euro. Das ist natürlich Geld, das wir alle ihnen in Form von Mobilfunkverträgen zurückzahlen werden. Schließlich sponsern sie den Breitbandausbau nicht einfach so. Obendrauf haben “wir” – als “die Allgemeinheit” – in diesem Deal die Kontrolle bzw. Mitbestimmung über die Nutzung eines richtig großen Teils des Funkspektrums abgegeben.

Dabei haben die Mobilfunk-Konzerne selbst ein Interesse an gutem WLAN: Besonders die Telekom / T-Mobile nutzt nämlich ihre Router, die bei den Kund*innen zu Hause stehen, für das so genannte Offloading. Sie verlagern mobilen Internet-Traffic ihrer Kundschaft auf die privaten Breitband-Anschlüsse anderer Kund*innen, kippen also mobilen Datenverkehr über WLAN auf deren Internetanschlüsse ab. Darauf sind sie sogar angewiesen, damit sie überhaupt genug mobilen Breitband-Traffic anbieten können.

Elektra und einige andere haben ihren Vorschlag zum weiteren Umgang mit frei gewordenen, noch nicht versteigerten Frequenzen bei der EU-Kommission eingereicht. Dort lief 2015 eine öffentliche Konsultation zur Zukunft des 700 MHz-Bandes. Der Vorschlag lautet: Wir reservieren ein lizenzfreies Frequenzband ausschließlich für WLAN. Es soll im Ultrahochfrequenzbereich liegen und genug Platz für alle Interessierten bieten. Selbst die Mobilfunkanbieter könnten ihr mobiles Offloading dort weiterbetreiben, also eigentlich eine Win-Win-Situation. Das war 2015 und erst kürzlich hat der Europäische Rat entschieden, auch das 700 MHz-Band für Mobilfunkanbieter bzw. für das künftige 5G umzuwidmen. Bis ca. 2020 sollen DVB-T und Veranstaltungstechnik (Funkmikros etc.) dieses Frequenzband räumen.

Leider kann ich nicht einmal auf Initiativen verweisen, die sich (noch) für „Open Spectrum“-Anliegen engagieren. Die einzige mir bekannte Seite, die aktuell gehalten wird, ist openspectrum.info von Robert Horvitz. Vor Jahren gab es die Open Spectrum Alliance Europe, sie scheint verschwunden zu sein. Der englischsprachige Wikipedia-Artikel Open Spectrum hat kein deutschsprachiges Pendant und existiert überhaupt nur in drei weiteren Wikipedien. Der Verein Digitale Gesellschaft e.V. hat Radio Spectrum Policy nicht in ihrem Themenkatalog.

Es ist offen, wie es mit einem echten großen WLAN-Frequenzbereich für die Allgemeinheit weitergeht. Das Freifunk-Pilotprojekt zeigt, dass WLAN im Ultrahochfrequenzbereich geht und wie vielversprechend diese Idee ist. Es zeigt einen kostengünstigeren Weg für den Breitbandausbau auf. Dieser Weg läge auch nicht allein in der Hand dreier Konzerne, sondern alle könnten sich selbst daran beteiligen, ihre Umgebung mit WLAN-Netzen anzubinden, die wiederum mit anderen WLAN-Netzen verbunden sein könnten. Stattdessen sieht es leider so aus, dass mit den versteigerten Frequenzbändern längst eine so weitreichende Privatisierung von „Infrastruktur“ (also unserer Luft) geschehen ist, dass ich mich frage, ob Worte wie „für die Allgemeinheit“ in diesem Spiel überhaupt hörbar sein sollen.

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