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Die Geburt von Femplotation – Bitch Planet Vol 1: Extraordinary Machine

Bitch Planet Vol 1: Extraordinary Machine

Lange musste ich warten, endlich ist es zu haben: Die erste Sammelausgabe (paperback trade) von „Bitch Planet“. 136 Seiten voller science fiction, Blut, Schweiß, Satire, Feminismus, Gewalt, Spaß, Trash und Teamspirit. Kelly Sue Deconnic und Valentine De Landro haben sich eine Welt ausgedacht, die ich liebe und hasse zu gleich. Willkommen im „Femplotation“ (Feminist Explotation):

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In bester Tradition dystopischer science fiction Klassiker wie „Running Man“, „Escape aus New York“, „Fortress“ oder „THX1138“ oder den Büchern von Margaret Attwood kreieren die beiden eine Zukunft in der Frauen, die sich nicht an die gesellschaftlichen Maßstäbe und Rollenbilder halten, weggesperrt werden. Und zwar nicht einfach nur in irgendein Gefängnis, sondern einen Gefängnisplaneten. Der Auxiliary Compliance Outpost, im Volksmund Bitch Planet genannt, ist eine einzige Foltereinrichtung. Gleich am Anfang lernen wir, wie totalitär, korrupt und patriarchalisch das System ist, als ein Gefängnisaufruhr für einen Mord genutzt wird.

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Dort lernen wir Kamau Kogo kennen, eine WoC, ehemalige Athletin und nun Insassin von Bitch Planet. Sie ist „non-compliant“, also nicht konform oder gefügig. Dennoch stimmt sie nach anfänglichem Widerstand dem Vorschlag zu, ein Team aus Gefängnisinsassinnen zusammenzustellen. Das soll im allseits beliebten „Duemila“ (im Volksmund „Megaton“ genannt) einer blutigen Weiterentwicklung von Rugby bzw. American Football, gegen etablierte Teams antreten, um neue Zuschauerrekorde zu erzielen. Denn die Regierung ist gleichzeitig der größte und wohl einzige Medienkonzern, der mit seinem gleichgeschalteten „Feed“ live in die ganze Welt streamed.

Orange Is The New Black in Space!

Das Buch wirkt wie ein feministisches Update auf die Blaxplotation Filme der 70er Jahre. Die Cover der einzelnen Kapitel (Hefte) sind wie alte Filmplakate gestaltet In großen, bunten Lettern in funky Font steht etwa „Are you woman enough to survive….Bitch Planet?“ geschrieben. Abgerundet wird jedes Kapitel dagegen mit einer fiktiven Werbeseite, die mal unter „Hey Kids, Patriarchy“ Merchandise für die coole Frau bewirbt, mal unter „Advice For Ladies“ absurde Produkte für die gefügige, gefällige Frau anpreist. Ein großer Spaß in jedem Fall!

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„Bitch Planet“ will viel, vielleicht ein wenig zu viel auf einmal. Unterhaltung, Aufklärung, ein breites Spektrum an Charakteren, eine futuristische Welt aufbauen und gleichzeitig eine spannende Geschichte erzählen. Unter dem hohen Anspruch leidet der eine oder andere Faktor noch ein wenig. Die Story ist zwar interessant und spannend, wird aber etwas hektisch erzählt. Durch das Wechseln der Perspektiven verliere ich ein wenig die Übersicht wer, wie was, wo gerade macht. Außerdem kommt das sog. Setbuilding zu kurz: Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie groß der Gefängnisplanet ist, wie er architektonisch aufgebaut ist und wie das Verhältnis zur Erde steht. Wie weit ist die Technik? Bis auf eine Art Hologrammtechnologie habe ich wenig Neues zu sehen bekommen. Aber vielleicht ist das auch bewusst so gemacht von DeConnick und De Landro. So halten die beiden sich viele Möglichkeiten offen.

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In der Mitte des Buchs gibt es einen Einschub, mit dem ich auch ein wenig hadere. Als Einzelheft #3 erschienen, wird die Hintergrundgeschichte einer der Insassinnen erzählt. Die Idee erinnert stark an eine Folge von Orange Is The New Black und wurde sogar von einem extra Zeichner (Robert Wilson IV) gestaltet. Eine wunderbare Idee, so erkennt man noch stärker den Rückgriff auf die Vergangenheit, denn der Zeichenstil orientiert sich stark an den Comics der 50er und 60er Jahre und trägt dem narrativen Rückblick auch optisch Rechnung. Der Einschub selbst ist super und interessant, aber er reißt mich völlig aus der Story raus und wirkt krampfhaft eingefügt. Falls Derartiges in den nächsten Trades mit den übrigen Protagonistinnen weitergeführt wird, ist es aber wohl einfach nur Gewöhnungssache.

Unterhaltsam mit Bildungsfaktor

Ganz am Ende des Buches zeigt sich noch einmal deutlich der aufklärerische Ansatz der Autorinnen. Nach einem schockierenden Cliffhanger gibt es einen Discussion Guide, der unterschiedliche Fragen oder Aufgaben stellt. Ich finde das großartig! Gerade für ein jüngeres oder noch nicht feministisch erfahrenes Publikum werden hier sehr gute Denkanstöße gegeben. Neben Charakter- und Settinganalyse werden auch Themen wie „Movements“ und „Intersectional Feminism“ angesprochen.

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Mit Bitch Planet haben DeConnick und De Landro ein tolles Projekt geschaffen. Toll, dass ein großer Verlag wie Image nicht davor zurückschreckt, so klar Stellung zu beziehen. Vielleicht inspiriert es ja andere, Ähnliches zu probieren. Mehr Femplotation für alle!

Eine Antwort auf „Die Geburt von Femplotation – Bitch Planet Vol 1: Extraordinary Machine“

Vorneweg: Bitch Planet ist wahrscheinlich mein aktuelles absolutes Lieblingscomic. :)
Was ich ein bisschen schade finde an der Trade-Ausgabe ist, dass die Essays fehlen, die in den Single Issues immer hinten dran sind und mMn echten (feministischen) Mehrwert bieten.
Übrigens wird auch die Frage nach den „zwischengeschobenen“ Hintergrund-Issues zu Charakteren (#3 Penny) hinten in den Einzelausgaben erklärt. Kurz zusammengefasst: alle drei Issues gibt es Backstory zu einer Person.
Ich weiß schon gar nicht mehr, wieviele Ausgaben von #1 ich gekauft und verschenkt habe – auch an „Leute, die eigentlich nicht so die Comicleser_innen sind“. Fazit: Lest dieses Comic und verschenkt es weiter! :D

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