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Genderdebug Shared Memories

Wie #aufschrei -en?

Inhaltswarnung für die meisten Links: Beschreibung von (u.a. sexualisierter) Gewalt.

Erst war da Brüderle und die Geschichte, in der eine stern-Journalistin sein sexistisches Verhalten offen legte. Darauf folgten übliche Abwehrmechanismen („Das war nicht so gemeint.“, „Ist ja schon lange her“, „Woher sollen wir ™ wissen, dass das stimmt?“, „Warum schreibt sie erst jetzt darüber?“ etc.). Und dann die – für alle Betroffenen eher banale – Feststellung: Es handelt sich eben um keinen Einzefall. Das beschriebene Verhalten ist eben keine Ausnahme, sondern viel zu häufig die Regel. In einem Blogbeitrag beschreibt so beispielsweise Ninia erlebte Situationen.

Dann fing heute Nacht @vonhorst an Situationen alltäglichen Sexismus zu twittern. Nach einigen Beiträgen schlug eine andere Twitterin, @Faserpiratin vor, dass es einen Hashtag bräuchte; also etwas um diese Geschichten zu bündeln. Eine konkrete Idee folgte:

@vonhorst wir sollten diese erfahrungen unter einem hashtag sammeln. ich schlage #aufschrei vor.

— anne wizorek (@marthadear) January 24, 2013

Und schon war #aufschrei geboren. Und die Aktion überlebte auch die Nacht und nicht nur das: Sie „trendet“ sogar. Das heißt, so viele Menschen benutzen dieses Hashtag, dass es in den aktuellen „Themencharts“ von Twitter ganz oben angezeigt wird. Natürlich finden sich dabei nicht nur Betroffene, die Situationen schildern, sondern auch Sexisten versuchen den Hashtag zu vereinnahmen und Aussagen zu negieren, sich lustig zu machen, zu beschimpfen. Also letzten Endes noch mehr Beispiele für eben das, wo gegen sich der #aufschrei wendet.

Viele der Menschen, die sich äußern, schreiben auch, dass es ihnen gut tut, das so loszuwerden. Und vor allem zu sehen, dass sie nicht allein sind. Dies sind sicher zwei wichtige Funktionen der Aktion: Sichtbarkeit schaffen und Einzelerlebnisse einordbarmachen in einem *istischen Gesamtsystem. All diese Vorfälle sind eben keine Zufälle. Das wird hier – wieder einmal – ersichtlich.

Auf der anderen Seite ärgere ich mich auch. Cis-Typen, die da auf einmal ganz verwundert tun: Sexismus? In dem Ausmaß? Das konnte ja keiner ahnen!

Und eben jene, für die das nicht so überraschend ist, haben trotz allem, erst einmal ganz ohne Wahl, all diese Geschichten (zur Zeit in wirklich geballter Form) auf dem Bildschirm. Geschichten, die auch triggern können. Die Befreiung einiger kann sich so auch negativ auf andere Betroffene auswirken. Das heißt nicht, dass die Aktion schlecht ist, sondern nur, dass sich beim Weitermachen überlegt werden sollte, wie es geschafft wird gleichzeitig eine Plattform für jene zu haben, die ihre Geschichten teilen wollen und für die das empowernd ist und andererseits Betroffenen auch die Entscheidungsmacht zu geben, ob oder wann sie diese lesen wollen.

Möglichkeiten gibt es einige: Es könnte ein Twitteraccount eingerichtet werden, an den die Episoden gerichtet werden. Wer_welche diesem Account nicht folgt, sieht dann weder die @-Replies an jenen noch die Retweets. (Erklärung siehe auch hier.) Die Hollaback-Bewegung hat ansonsten auch gezeigt, wie alltägliche sexistische Situationen und Reaktionen gesammelt werden können – in dem Fall streetharrasement.

Interessant wird es trotzdem, ob es der #aufschrei, der endlich mal nicht von den empörten Typen kommt, es in die Medien schafft. Und was wir weiter aus der Energie machen können.

Edit: Mittlerweile werden die Beiträge auch auf einem #aufschrei-Tumblr gesammelt und es gibt erste Berichte, u.a. bei dieStandard, sueddeutsche.de, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt und stern.

12 Antworten auf „Wie #aufschrei -en?“

[…] Dahin, wo ich eine Weile nicht mehr gewesen bin. An Abgründen vorbei, in die ich früher lange hineingestarrt habe. Nicht merken, wie das Gesicht nass wird. Innerlich bluten, alte Wunden die niemals völllig abheilen können…weil sie immerimmerimmer wieder aufgerissen werden. So wie heute: […]

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