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Sailor Moon oder: Japanische Popkultur und ihre Implikationen auf asiatisch-deutsche Identität

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„Hey, die erste Folge von Sailormoon ist raus.“

Mein Schwesterherz meldete sich über Skype. Sailormoon – war das nicht diese japanische Zeichentrickserie, wo Teenager-Mädchen gegen das Böse (TM) kämpften?

„Die haben jetzt eine Neuauflage gemacht, nennt sich „Sailor Moon Crystal“. Der Anime soll jetzt näher an der Mangavorlage sein.“

Ich erinnerte mich natürlich an Sailor Moon. Die Serie kam 1998 nach Deutschland, da war ich um die zwölf Jahre alt. Sailor Moon war anders als das, was ich bisher an Unterhaltung für Kinder gesehen hatte. Sicher gab es schon vorher japanische Animation im deutschen Fernsehen, wie die Biene Maja oder Heidi (Leute, Heidi wird für mich immer schwarzhaarig bleiben), aber im Gegensatz zu diesen zahmen ZDF-Koproduktionen war Sailormoon vor allem eins: ein veritabler Kulturschock.

Sailor Moon war eben nicht an den öffentlich-rechtlichen, bisweilen biederen Geschmack deutschen Fernsehens angepasst. Nein, Sailor Moon war laut, bunt, überdreht, überzeichnet. Das Gefühl des Befremdetseins hat sich bei mir eingebrannt: Warum rissen die Figuren die Münder und Augen so extrem auf? Warum war die Protagonistin so dermaßen ungeschickt? Und was sollte eigentlich ständig dieser Tropfen am Hinterkopf?

Irgendwann gewöhnte ich mich an den Stil von Anime. Ich lernte, dass die übertriebene Mimik und Gestik vor allem komisch und witzig wirken sollten, dass Bunny/Usagi Tsukino (die Hauptfigur) einfach, nun ja, eine Überzeichnung eines (unter)durchschnittlichen Schulmädchens sein sollte und dass der Tropfen am Hinterkopf eine peinliche Situation oder Verlegenheit oder Fremdscham darstellte.

Sailor Moon war der Beginn einer neueren Welle, die die gesamten Nuller-Jahre über anhielt: die Japan-Begeisterung gerade bei jungen Mädchen. Im Rückblick betrachtet war die Sache ganz groß. Denn zum ersten Mal kam etwas aus Asien, das viele irgendwie cool fanden. Zum anderen war es eine Superheldin, die für Mädchen gemacht war.

Bis dahin kannte ich aus Asien vor allem Kung-Fu-Filme, Paris by Night-Videos (eine Art vietnamesisch-amerikanische Revue mit viel Gesang, in vietnamesischen Haushalten sind sie Standardausstattung) und Kriegsabbildungen von toten, sterbenden und/oder verhungerten Menschen. Nicht viel, mit dem ich mich identifizieren konnte oder wollte. Kung-Fu-Filme waren zwar spannend, aber meist auch Filme über Männer, Paris by Night fand ich immer zum Fremdschämen und Krieg – wer will sich selbst schon mit einer Opferrolle identifizieren.

Anime und Manga aber – das war etwas anderes. Es war Popkultur aus Asien. Es war neu. Und es galt als cool. Wenn man so wenig hat, mit dem man sich identifizieren kann oder möchte, dann nimmt man auch japanische Popkultur als Hilfsmittel zur Identitätsfindung. Es war mir vielleicht damals nicht so bewusst, aber im Nachhinein betrachtet war japanische Popkultur ein Mittel, meine eigene asiatische Identität zu kultivieren und zu zelebrieren.

Sailor Moon war einer der vielen „Magical Girl„-Mangas/Animes, in den 90ern und Nuller Jahren ein Revival erlebten, nachdem sie schon seit den frühen Anfängen des japanischen Comics Mitte des 20. Jh. ein wichtiges Genre darstellten. Ich persönlich ritt nie so fanatisch auf der Manga-/Anime-Welle mit wie beispielsweise Schwesterherz, aber es gehörte zum Unterhaltungsprogramm dazu. Noch heute verbinde ich japanische Pop-/Rockmusik mit meinen Teenagerjahren.

Sailor Moon Crystal – die Neuauflage

Da die heutige Popkultur quasi nur aus Referenzen an Kindheitserinnerungen aufgebaut ist (Transformers war vormals Kinderspielzeug, für die eine Zeichentrickserie entwickelt wurde, die dann in ein Milliarden-Kino-Franchise verwandelt wurde, s. auch: Superheldenfilme, Remakes von Remakes von Remakes, Sequels von Sequels von Sequels), war es nur eine Frage der Zeit, dass auch der Klassiker Sailor Moon neu aufgelegt werden würde. Schon der Neuschnitt von Dragonball war ein großer Erfolg, warum also die Kuh nicht zweimal melken?

Aus Recherchezwecken habe ich mir also die erste Folge von Sailor Moon Crystal angesehen. Meine erste Erkenntnis: Man kann nicht zurück. Sailor Moon ist für Menschen, die fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger sind als ich sicherlich noch unterhaltsam. Die Erzählgeschwindigkeit ist rasant, es ist laut und bunt, es gibt ausreichend Slapstick und der Plot ist so simpel gehalten, dass man ihm gut folgen kann.

Was mich immens gestört hat, war der Animationsstil: Der Zeichenstil ist einerseits altmodisch, weil er sich sehr eng, vielleicht zu eng, an die Vorlage hält. Dieses Traditionelle merkt man Sailor Moon Crystal deutlich an – von der Augenform zur Nase zu den Glanzlichtern auf den Haaren hin zum Intro (ich sag nur: J-Rock, Windmaschine und sehnsuchtsvolle Blicke in die Ferne). Der sehr „blumige“ Stil erinnert mich stark an Anime aus den Siebzigern, etwa Die Rosen von Versaille/Berusaiyu no bara. Persönlich hätte mir eine stärkere Modernisierung besser gefallen.

Gleichzeitig wurde aus Kostengründen aber auf Animation im Computer gesetzt, anstatt von Hand auf Folien zu zeichnen. Dadurch wirkt die Animation irgendwie zu glatt und billig. Und dass die Verwandlungsszenen in einer Art 3D animiert sind, halte ich für einen unschönen stilistischen Bruch.

Ich bleibe vorerst bei Mushishi, Community und Youtube als Unterhaltungsprogramm…

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